Wildschäden

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Wildkaninchen
Feldhase

Feldhasen und Wildkaninchen können besonders an jungen Reben erhebliche Schäden anrichten. Beide Wildarten zählen zur Tierfamilie der Hasen, sie haben aber eine unterschiedliche Lebensweise und kreuzen sich auch nicht untereinander.

Lebensweise von Wildkaninchen und Feldhasen

Wildkaninchen besiedeln gerne die halboffenen Saumstrukturen zwischen Weinbergen und Wegen und sonnen sich im Gras.

Die kleineren Wildkaninchen leben sehr ortstreu in Gruppen in unterirdischen Bauten, die in lockeren und oft sandigen Böden gegraben werden und Schutz vor Raubtieren und ungünstiger Witterung bieten. Die Erdbaue sind meist etwas versteckt an Heckensäumen oder Feldrainen angelegt. Auch Bahn- und Straßendämme werden unterhöhlt.
Feldhasen leben hingegen außerhalb der Paarungszeit einzeln in offenen oder halboffenen Landschaften. Sie haben ein größeres Revier als die Kaninchen und graben keine Höhlen. Als Schlaf- und Schutzplatz halten sie sich in so genannten Sassen auf, das sind kleine geschützte Mulden, die eine gute Deckung bieten. Bei Störung verharren Feldhasen regungslos und gut getarnt in der Sasse, erst bei unmittelbarer Gefahr springen sie auf und flüchten.

Sowohl der Feldhase als auch das Wildkaninchen ernähren sich ausschließlich durch pflanzliche Kost, ihre Verbreitungsgebiete sind unterschiedlich, Wildkaninchen zeigen mitunter eine sehr hohe Populationsdichte an wenigen Standorten, fehlen aber andernorts völlig. Beide Arten unterliegen als jagdbares Wild dem Jagdrecht. Zu einer Bejagung, Vertreibung oder Bekämpfung ist demnach nur der Jagdpächter berechtigt. Dieser ist immer bei überhand nehmenden Schäden einzuschalten. Der geschädigte Winzer selbst kann jedoch geeignete vorbeugende Schutzmaßnahmen an den Reben ergreifen.

Schaden und Gefahrenpotenzial

Ist ein Kaninchenbau im Weinberg, ist Gefahr in Verzug. Der Jagdpächter muss für dauerhafte Abhilfe sorgen.

Fraßschäden im Weinberg betreffen in erster Linie Jungreben im ersten oder zweiten Jahr. Bei Kaninchen können häufig auch Rindenschäden an mehrjährigen Reben auftreten. Zudem können gegrabene Erdhöhlen im Weinberg eine erhebliche Gefahr darstellen. Werden diese nicht rechtzeitig erkannt, können so Schäden an Geräten oder Personen, etwa durch Abknicken oder Stürze, geschehen.

Jungreben im ersten Jahr sind ab den Austrieb gefährdet. Die jungen zarten Triebe stellen einen Leckerbissen in der recht abwechslungsreichen Kost der Hasen dar, die ansonsten aus Kräutern und Gräsern besteht. Erst wenn die Reben den Hasen „aus dem Maul“ gewachsen sind, d. h. die Triebspitze nicht mehr erreicht werden kann und die Triebe an der Basis verholzen, lässt die Attraktivität der Rebe deutlich nach.

Abwehrmaßnahmen während der Vegetationsperiode

Regelmäßige Pflege wie Aufbinden und Ausgeizen fördert das Triebwachstum und verkürzt somit die Periode der stärksten Gefährdung. Jedoch können sich Hasen auch aufstellen und so höhere Spitzen noch „abpflücken“. Ein regelmäßiger Belag durch Pflanzenschutzmittel (insbesondere Netzschwefel) hält die Tiere meist einige Tage ab, sobald der Spritzbelag aber abgewaschen wird bzw. die Triebspitze weiter wächst, steht diese wieder auf dem Speiseplan. Spezielle Zusätze an repellenten (wildabweisenden) Blattdüngern auf Basis von Pflanzenextrakten bieten eine längere Schutzwirkung, der Belag muss jedoch auch hier regelmäßig erneuert werden. Gerade bei wüchsiger und regnerischer Witterung werden die geruchsaktiven Substanzen rasch verdünnt. Bei Anwendung von Wildvergrämungsmitteln ist die aktuelle Zulassung dieser Mittel im Weinbau zu beachten. Dies gilt ganz besonders, wenn reifende Trauben geschützt werden sollen, die dadurch geruchlich oder geschmacklich negativ beeinflusst werden können.

Bei gewöhnlichen Feldhasenpopulationen reichen die oben genannten einfachen Schutzmaßnahmen meist aus.

In ihrer Abschreckwirkung unzureichend sind Plastikschreckbänder, aufgehängte CDs, Tier- oder Menschenhaare, Raubvogelattrappen oder andere geruchsverströmende Hausmittelchen wie Toilettensteine oder Mottenkugeln, der Gewöhnungseffekt ist hier rasch gegeben.

Einen guten Schutz bieten mechanische Hüllen um die Reben. Bekannt und bewährt sind die Netzkörbchen aus Kunststoffgewebe, welche jedoch aufwändig anzubringen sind und bei den Pflegearbeiten ein Hindernis darstellen. Sie werden nur ein- oder zweimal verwendet und sollten später aus der Anlage entfernt und entsorgt werden. Pflanzrohre in stabiler Ausführung bieten einen vergleichbaren Schutz und sind mehrfach verwendbar, aber deutlich teurer in der Anschaffung, sie bieten neben der reinen Schutzwirkung noch weitere Vorteile für die Reben durch das günstige Treibhausklima in der Röhre. Bei kleineren Pflanzungen (einzelne Nachpflanzreben im 2. und 3. Jahr, Kleinparzellen) ist ein Schutz der Einzelreben oft notwendig.

Eine weitere Möglichkeit ist die Pflanzung von Hochstammreben, da die Reben beim Austrieb schon weitgehend aus der Gefahrenzone sind. Bei größeren Neupflanzungen ist meist das Einzäunen wirtschaftlicher als der Schutz der Einzelreben. Der Zaun muss mindestens bodenerdig anliegen, bei Kaninchenbesatz wird um die Pflanzfläche eine Furche gezogen, in die der Zaun etwa 20 cm tief eingegraben werden muss. Alternativ kann der Zaun auch 30 cm erdbürtig am Boden nach außen abgeknickt werden und der Falz mit Steinen oder Erdklumpen beschwert werden, so dass die Tiere auf dem Zaun stehen, wenn sie ihn zu unterwühlen versuchen. In Frage kommt feinmaschiger Drahtzaun (Hasenzaun mit 5cm Maschenweiten), der kunststoffgesintert oder verzinkt ist. Seitenbespannungsbänder gegen Vogelfraß sind gegen Hasen ungeeignet oder allenfalls eine sehr kurzfristige Notlösung, da sie für diese Zwecke keine ausreichende Haltbarkeit aufweisen. Eine Gefährdung von geschützten Kleinsäugern wie Igel, die sich darin verfangen können, muss zudem ausgeschlossen werden. Gegen Hasen reicht eine Zaunhöhe von etwa 70 cm aus, sind jedoch auch Rehe aus der Anlage fern zu halten, sollte darüber ein gröberer Maschendrahtzaun angebracht werden. Eine weitere praktikable Möglichkeit stellen Elektrozäune dar, die entsprechend niedrig angebracht werden. Sie sind einfacher an- und abzubauen, als starre Zäune. Ein Warnschild sollte Spaziergänger (Hundehalter) auf die Gefahr (Vorsicht Elektrozaun) aufmerksam machen.

Wildschäden und Abwehrmaßnahmen über Winter

Besonders Portugieser, Dornfelder und Acolonreben werden gerne geschält, wenn andere Nahrung knapp ist. Das Liegenlassen des Rebholzes bietet als "Ausgleichsfütterung" nur bedingt Schutz.

Im Sommer sind nur die jungen Triebe für Hasen attraktiv. Bei langer Schneeauflage gehen vor allem Kaninchen mangels alternativem Futterangebot jedoch bevorzugt an junge verholzte Rebstämme. Hierbei werden bestimmte Sorten (Portugieser, Acolon, Dornfelder) bevorzugt, da sie offenbar weniger Bitterstoffe in der Rinde aufweisen. Gefressen wird meist nur die nährstoffreiche Rinde, die aber Schutz und Leitbahnsystem der Rebe darstellt. Somit sind geschälte Stämmchen ähnlich wie „gefegte“ Bäume im Wald dem Tode geweiht, sofern nicht umgehend ein Stammneuaufbau unterhalb der Schadstelle erfolgt. Nicht immer fällt der Schaden sofort auf, da zum einen im Winter der Weinberg weniger oft vom Winzer frequentiert wird und zum anderen die Fraßstellen rasch ausbleichen oder von Grünalgen überzogen werden, so dass sie nicht mehr sofort ins Auge fallen.

Ein hoher Wildzaun schützt gegen Hasen, Rehe und Wildschweine, sofern er stabil aufgebaut ist. Immer wieder wird er aber unterwühlt oder aufgedrückt. Im Winter verraten die Fährten, wo diese Leckagen sind. Eine Reparatur mit Baustahlmatten ist hier anzuraten, da die Tiere oft wieder die notdürftig geflickten Stellen aufbrechen.

In diesen Fällen muss auch ein Stammschutz über Winter an Jung- und Ertragsreben erfolgen. Kunststoffmanschetten oder seitlich zu öffnende Pflanzrohre stellen neben einer winterlichen Einzäunung einen Schutz auch an Altreben dar. Rohre mit kleinen Öffnungen sind als Winterschutz vorteilhafter als geschlossene Rohre, da ein warmes Treibhausklima die Reben vorzeitig antreiben lässt und dann die Frostschädigung verstärken kann. Kontrollgänge sind insbesondere bei längerer Schneeauflage wichtig, da dann die Tiere besonders unter dem knappen Nahrungsangebot leiden und dann durch den Zaun drücken können. Spuren im Schnee verraten zudem offene Stellen der Umzäunung.

Im Obstbau wird gegen Rindenfraß häufig auch ein Kalkanstrich (Weißelung, Schweizer Kalk-Leim-Gemisch) vorgenommen, der jedoch im Weinbau bisher nicht praktikabel ist. Zusätze aus Sand, Wasserglas, Tapetenkleister, Paprikapulver etc. sollen abschreckend auf die Tiere wirken. Gleiches gilt für spezielle Schäl- und Fraßstopp-Produkte. Ein sicherer Schutz stellt der Anstrich jedoch nicht dar. Das Weißeln der Stämme im Obstbau vermindert außerdem die Absorption (Umwandlung der Stahlungsenergie in Wärme vor allem auf dunklen Flächen) von Strahlung an sonnigen Wintertagen und beugt somit Frostrissen durch hohe Temperaturunterschiede zwischen der besonnten und beschatteten Stammseite vor. Doch auch Reben können in Ausnahmefällen geschädigt werden oder aufplatzen, wenn die Sonne intensiv auf noch gefrorene Stämme scheint.

Eine gewisser Schutz bietet auch das Liegenlassen des Schnittholzes in der Anlage zur Fraßablenkung. Bei hohem Kaninchenbesatz kann das attraktivere einjährige Schnittholz aber weitgehend aufgezehrt werden, so dass die Tiere doch wieder an die Stämmchen gehen. Auch natürliche Gegenspieler wie Raubvögel oder Füchse tragen zur Reduzierung der Population bei (Sitzstangen aufstellen). Vielfach führt aber in Problemanlagen an einer Bejagung der Kaninchen kein Weg vorbei, um dauerhaft Schäden in Grenzen zu halten. Vor allem wenn die Baue innerhalb des Weinbergs liegen. Der Jäger bringt hier z. B. Frettchen zum Einsatz, die in der Lage sind, die Tiere aus dem Bau zu treiben.

Winzer, Straßenbau und Bahn sollten sich zusammen tun, um dauerhaft Schäden an Kulturen und Infrastruktur zu verhindern. Es geht jedoch nicht darum, die wildlebenden Kaninchen auszurotten, die auch ein wichtiger Bestandteil im Naturhaushalt und der Nahrungskette von Raubtieren- und -vögeln sind, sondern die Populationen in den Saumzonen zwischen Straßen und Weinbergen nachhaltig unter Kontrolle zu bringen.

Einzelnachweise


Literaturverzeichnis

  • Goetz, G. (2015): Wildschäden. Abteilung Weinbau & Oenologie (Gruppe Weinbau), Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz, Neustadt an der Weinstraße.
  • Goetz, G. (2013): Rebstämme sind Leckerbissen im Winter. Landwirtschaftliches Wochenblatt. 65 (9): 47-49