Traubendesign unter dem Aspekt des Klimawandels

Aus Vitipendium
(Weitergeleitet von Traubendesign)
Wechseln zu: Navigation, Suche

Die Gesunderhaltung der Trauben ist ein primäres Ziel des qualitätsorientierten Weinbaus. Durch den Klimawandel läuft die Reifephase unter immer wärmeren Temperaturen ab. Dies führt auf der einen Seite zu signifikant höheren Mostgewichten. Gleichzeitig verstärkt sich allerdings die Fäulnisproblematik, und die Winzer sind gezwungen, den Lesezeitpunkt nicht mehr nach der physiologischen Reife der Trauben, sondern vielmehr nach dem Gesundheitszustand der Trauben zu terminieren. Eine wichtige Einflussnahme stellt dabei der Zusammenhang zwischen der Trauben- und Beerenmorphologie und dem späteren Gesundheitszustand dar. Im folgenden Beitrag sollen die verschiedenen Möglichkeiten und Strategien zur Einflussnahme auf das Traubendesign vorgestellt werden. Dabei werden sowohl kurzfristige (jährliche) als auch langfristige Maßnahmen erörtert.

NEGATIVBEISPIEL für ein Traubendesign: eine derartig kompakte und stark geschulterte Rieslingtraube ist sehr krankheitsanfällig!

Traubendesign

Unter dem Traubendesign (lat. designare = Formgebung der Trauben) versteht man im weitesten Sinne die Traubenmorphologie, die wiederum von dem Stielgerüst und der Beerenstruktur beeinflusst wird. Das ideale Traubendesign sind lockere Trauben mit kleinen Einzelbeeren, einer dicken Beerenhaut sowie einer ausgeprägten Wachsschicht. Diese wären ideal an die veränderten Umweltbedingungen wie erhöhte Strahlung und Temperaturen in der Reifephase sowie, durch die mechanisch-physikalisch optimierte Beerenhaut gegenüber Schadorganismen wie Botrytis cinerea (Grauschimmel, Graufäule), angepasst. Eine Antwort auf die Frage, was sich an Trauben designen lässt, findet man beim OIV (= Internationale Organisation für Rebe und Wein) in der Merkmalsliste für Rebsorten und Vitis-Arten. Neben der für die Traubenstruktur bedeutenden Merkmale wie Traubenlänge (sehr kurz bis sehr lang), Traubendichte (sehr locker bis sehr dicht), Traubenform (zylindrisch, kegelförmig bis trichterförmig) oder die Anzahl der Flügel der Haupttraube (sog. Schultertrauben) (keine bis mehr als sechs Flügeltrauben) werden auch Merkmale über den Habitus der Beeren (Beerenlänge oder -form) aufgeführt. Dabei spielt der Kompaktheitsgrad der Trauben eine sehr wichtige Rolle, da unter bestimmten Umweltbedingungen bei vielen unserer Rebsorten und bestimmten Klonen durch gegenseitiges Abdrücken der Beeren der Grundstein für eine beginnende Fäulnis gelegt wird.

Langfristige Einflussgrößen auf das Traubendesign

Spätburgunder Klon 1-47 Gm: die hohe Mutationsfreudigkeit des Spätburgunders bietet eine große Auswahl an unterschiedlichem Klonenmaterial an
Vielversprechender Sauvignon blanc Klon Lb 50: gerade bei aromaintensiven Sorten muss ein Fokus auf der Traubengesundheit liegen.

Grundsätzlich zu unterscheiden sind Einflussgrößen, die die Trauben- und Beerenmorphologie beeinflussen können oder durch natürliche Begebenheiten vorgegeben sind. Dabei lassen sich die Möglichkeiten in langfristige und kurzfristige Maßnahmen unterscheiden.

Sorten- und Unterlagenwahl

Über die Sorten- und Unterlagenwahl kann bereits frühzeitig eine vage Einflussnahme auf die Traubenstruktur vorgenommen werden. Besonders im Fokus stehen die Rebsorten Spätburgunder, Sauvignon Blanc und bedingt Grauburgunder, bei denen der Praxis aufgrund der ausgeprägten Mutationsfreudigkeit gerade der Burgundersorten bereits etablierte lockerbeerige Klone zur Verfügung stehen. Hierbei werden allgemein drei Klonentypen unterschieden:

  1. Kompakte Klone (verringertes Achsenwachstum und/oder erhöhte Beerenanzahl/Traube);
  2. Lockerbeerige Klone (verstärktes Achsenwachstum oder/und verringerte Beerenanzahl/Traube);
  3. Mischbeerige Klone (unterschiedliche Beerengrößen und damit aufgelockerte Traubenstruktur).


In einer Klonenvergleichsanlage mit Spätburgunder konnte in den Versuchsjahren 2007 bis 2011 eine Korrelation zwischen der Kompaktheit der Trauben und dem ermittelten Botrytisbefall festgestellt werden. Der lockerbeerige Klon 1-47 Gm wurde bei der Ermittlung des Bepackungsgrades (Merkmal: Traube -> Dichte) in einem Schemata von 1 bis 5 (1 = lockerbeerig; 5 = sehr dicht) mit 2 bewertet und hatte gleichzeitig den niedrigsten Botrytisbefall. Die lockerbeerigen Klone der „1er Gruppe“ aus Geisenheim (z.B. 1-1 Gm, 1-44 Gm, 1-47 Gm) haben mittlerweile bei Neuanpflanzungen die M-Typen weitgehend abgelöst. Der dichtbeerige Klon Pinot 777 zeigte mit einer Kompaktheit der Boniturstufe 4,0 den höchsten Botrytisbefall. Dieser gilt aufgrund der kleinbeerigen und kleinen, aber kompakten Trauben als ausgesprochener Qualitätsklon. Aufgrund seines Traubendesigns stellt dieser Klon die Winzer immer wieder vor große Herausforderungen, was die Gesunderhaltung betrifft. Ähnliche Ergebnisse konnten in einer Anlage mit unterschiedlichen Sauvignon blanc - Klonen ermittelt werden. Die beiden Laimburg-Klone Lb 36 und Lb 50 zeigten im Untersuchungszeitraum von 2007 – 2011 den niedrigsten Botrytisbefall auf. Allerdings war bei Sauvignon blanc nur ein tendenzieller Zusammenhang zwischen der Traubenkompaktheit und der aufgetreten Fäulnis gegeben. Durch die Auswahl des entsprechenden Klonenmaterials kann der Winzer langfristig das Traubendesign weitestgehend bestimmen und festlegen, wenngleich kleinbeerige Klone aus oenologischer Sicht im Einzelfall und unter bestimmten klimatischen Bedingungen qualitative Vorteile haben können.

Standort und Bestandsführung

Der Standort und damit die Bestandsführung mit Bodenpflege, Düngung und der Wuchskraft der Anlage haben maßgeblichen Einfluss auf die Traubenmorphologie. Ziel der modernen Weinbergsbewirtschaftung ist es, eine mittlere Wuchskraft anzustreben. Darunter wird ein moderater Wuchs verstanden, der mit zwei Laubschnitten auskommt. Die Laubwand sollte geschlossen, aber dennoch lichtdurchflutet sein. Das Geiztriebwachstum sollte im Spätsommer abgeschlossen sein. Dadurch werden die Trauben ausreichend, aber nicht zu üppig mit Assimilaten versorgt und garantieren eine normale Entwicklung der Beeren, ohne dass es zu Abdrückerscheinungen in Folge erhöhter Durchblühraten kommt.

Erziehungssystem

Auch die Wahl des Erziehungssystemes hat maßgeblichen Einfluss auf die Traubenstruktur. In unseren nördlichen Anbaugebieten hat sich die Spaliererziehung aufgrund der optimalen Ausrichtung der Laubwände als ideale Erziehungsart etabliert. Sollte der Klimawandel weiter voran schreiten, muss über alternative Erziehungssysteme nachgedacht werden. Schon jetzt hat sich in zahlreichen Arbeiten gezeigt, dass die Minimalschnitterziehung durchaus bei ausreichender Wasserversorgung für ein wärmeres Klima geeignet ist. Die höheren Stockerträge mit niedrigeren Mostgewichten ermöglichen eine spätere Lese mit tendenziell gesünderen, weil lockerbeerigen und kleineren Trauben. Aufgrund der Wetterkapriolen im vergangenen Jahr waren viele Betriebsleiter gezwungen, in den hagelgeschädigten Weinbergen den Kordonschnitt anzuwenden. Gerade bei Riesling und den Burgundersorten führt diese Schnittform zu kompakteren Trauben, da die Durchblührate in Folge des höheren Altholzanteils in der Regel verbessert wird. Nur bei Sorten, die basal ausreichend fruchtbar sind sowie bei starken Hagelschäden mit massiven Leitungsbahnschäden sollte demnach auf Zapfen geschnitten werden.

Jährliche Einflussgrößen auf die Trauben- und Beerenmorphologie

Die Ertragssteuerung hat maßgeblichen Einfluss auf die Traubenstruktur. Bei zu geringem Anschnitt wird das vegetative Wachstum verstärkt, die verbleibenden Trauben reagieren mit einem gesteigerten Dickenwachstum. Ähnliches trifft zu, wenn die Erträge zu früh reguliert werden.

Mehrjährige Versuche am DLR Rheinpfalz mit Riesling und Weißburgunder haben bei frühen Ausdünnvarianten wie Triebzahlreduzierung auf unter 10 Triebe/laufendem Meter oder Gescheinsausdünnung pro Trieb vor der Blüte zu einem verstärkten Botrytis-Befall geführt, welcher auf die kompakteren Trauben zurückgeführt werden konnte. Spätere Eingriffe in die Traubenstruktur wie das Halbieren der Trauben, die frühe Teilentblätterung um den Blütezeitpunkt, das Abstreifen der Trauben, mechanische Verfahren wie Ausdünnen mit dem Vollernter, der Einsatz einer Traubenbürste oder neuere Entblätterungsverfahren mit Luftunterstützung zum Ausblasen von Blütenresten zeigen vielversprechende Ergebnisse und werden von der Praxis bereits gezielt zur Traubenauflockerung eingesetzt. Ein von der Praxis nicht immer beachteter Zusammenhang besteht allerdings zwischen dem Laubschnittzeitpunkt und dem späteren Ertragsniveau und somit der Traubenmorphologie. Je früher der erste Gipfeltermin durchgeführt wird, desto höher steigen der Ertrag und die Kompaktheit der Trauben. Weiterhin fällt das Dickenwachstum der Beeren umso schwächer aus, je später das erste Einkürzen stattfindet. Gegen ein spätes Gipfeln sprechen der höhere Wasserverbrauch sowie ein mögliches Umkippen der Triebe.

Bioregulatoren

Besonders im Fokus stand in den letzten Jahren der Zusammenhang zwischen Traubengesundheit und dem Einsatz der Bioregulatoren. Ziel war und ist es, mit den Mitteln GIBB3, Regalis und bedingt SprintAlga den Packungsgrad der Trauben zu verringern. Dies geschieht zum Einen durch die Streckung des Stielgerüstes (vgl. Tabelle 1) und bzw. oder durch eine induzierte Verrieselung mit der Konsequenz einer verringerten Beerenanzahl pro Traube. Beim Einsatz dieser Mittel müssen in der Praxis die rechtlichen Bestimmungen zur Anwendung Berücksichtigung finden.

RIESLING (lockerbeerig): Bioregulatoren können bei optimaler Wirkung das Traubendesign maßgeblich beeinflussen.
RIESLING (weniger kompakt): Bioregulatoren können bei optimaler Wirkung das Traubendesign maßgeblich beeinflussen.

Rechtliche Bestimmungen zur Anwendung

  • Im Frühjahr 2004 bekam das Mittel GIBB3 mit dem Wirkstoff GA3 (Gibberellinsäure) erstmalig eine Genehmigung (§11.2 PflSchG, Gefahr im Verzug) für die Anwendung zur Lockerung des Traubenstielgerüstes zur vorbeugenden Behandlung der Essigfäule bei den Rebsorten Grauburgunder, Weißburgunder, Spätburgunder, Schwarzriesling und Portugieser. Diese Genehmigung wurde bis dato immer rechtzeitig zur Blüte vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) erteilt und hat jeweils für 120 Tage gegolten. Eine Zulassung von GIBB3 als Pflanzenschutzmittel ist 2012 noch nicht zu erwarten. Die Rechtsgrundlage für die befristete „Gefahr im Verzug“ - Genehmigung hat sich geändert und wird seit dem Juni 2011 nach Artikel 53 der Verordnung (EG Nr. 1107/2009) reguliert. Eine mögliche Anwendung 2012 im Rahmen dieser Genehmigung wird zum gegebenen Zeitpunkt noch geprüft.
  • Das Mittel Berelex mit dem gleichen Wirkstoff GA3 hat bereits eine zeitlich begrenzte Genehmigung nach Artikel 53 erhalten, die für den Zeitraum vom 29.02. – 27.06.2012 gültig war.
  • Ab dem Jahr 2009 wurde für das Mittel Regalis mit dem Wirkstoff Prohexadion-Calcium eine Genehmigung für die Rebsorten Riesling, St. Laurent und Sauvignon Blanc nach §18a erteilt (Lückenindikation: genehmigt wird die Anwendung eines zugelassenen Pflanzenschutzmittels in einem anderen als dem mit der Zulassung festgesetzten Anwendungsgebiet). Das Mittel durfte ausschließlich zur Lockerung des Traubenstielgerüstes zur vorbeugenden Behandlung der Essigfäule in Weinreben bei den Rebsorten Riesling, St. Laurent und Sauvignon Blanc mit einer Aufwandmenge bis zu 1,8 kg/ha eingesetzt werden. Die Wirkungsweise wird maßgeblich durch Witterungsbedingungen wie Temperatur, Luftfeuchte bzw. Blütezeitraum, Aufwandmenge, Insertionshöhe des Gescheins am Trieb usw. beeinflusst.


Anwendungsempfehlungen

Für beide Bioregulatoren gelten ähnliche Anwendungsempfehlungen. Die Applikation sollte in den frühen Morgen- oder Abendstunden bei höherer relativer Luftfeuchtigkeit oder nach nächtlicher Taubildung erfolgen, da beide Wirkstoffe (Prohexadion-Calcium und GA3) unter diesen Bedingungen besser aufgenommen werden. Auf eine beidseitige Applikation der Traubenzone mit 400 Liter Wasser/ha muss geachtet werden. Der richtige Applikationszeitpunkt für beide Mittel wird im Bereich von Blühbeginn (ES 61) bis Vollblüte (ES 65) angegeben. Gerade in Jahren mit optimalen Blütebedingungen ist dieser Termin äußerst schwierig einzuhalten, da der Blüteverlauf aufgrund der idealen Witterungsbedingungen zügig voran schreitet. Weiterhin ist es schwer abzuschätzen, wann das Stadium der Vollblüte erreicht ist, da die Gescheine je nach Insertionshöhe unterschiedlich aufblühen. Außerdem kann der Blütebeginn in einer gleichen Anlage sehr stark variieren.


TABELLE 1: Die Gescheinslänge (mm) ausgewählter Rebsorten in Abhängigkeit der Insertionshöhe am Trieb (1. Geschein; 2. Geschein) und einer frühen GIBB3-Applikation in den Versuchsjahren 2007 und 2008 (n = 3 mit je 50 Gescheinen):

  • 1 = 1150 g GIBB3/ha ES 15
  • 2 = ohne Behandlung
  • [ ] = Werte in Klammern zeigen Standardabweichung
ABBILDUNG 1: Wirkungen verschiedener Bioregulatoren auf die Befallsstärke von Botrytis cinerea an Weißburgunder (Haardter Herrenletten, n=3 mit je 100 Trauben, 2008 - 2011).
ABBILDUNG 2: Wirkungen verschiedener Bioregulatoren auf die Befallsstärke von Botrytis cinerea an Grauburgunder (Haardter Herrenletten, n=3 mit je 100 Trauben, 2008 - 2011).
Sorte Jahr Kontrolle GIBB31
1. GESCHEIN 2. GESCHEIN 1. GESCHEIN 2. GESCHEIN
Weißburgunder 2007 108,1 [13,1] 100,0 [17,3] 145,3 [22,0] 148,3 [29,3]
2008 125,2 [12,9] 123,3 [12,0] 140,7 [16,3] 147,8 [20,9]
Spätburgunder 2007 105,5 [15,6] 90,9 [16,9] 142,1 [28,8] 118,6 [26,7]
2008 - - - -
Riesling 2007 86,4 [11,5] 86,2 [13,7] 2- 2-
2008 94,1 [10,3] 87,0 [11,2] 2- 2-


Eine frühe Applikation von GIBB3 kurz nach dem Austrieb bei Trieblängen von 10 bis 15 cm kann zu einer Verlängerung des Stielgerüstes führen (vgl. Tabelle 1) und damit ebenfalls zu einer Auflockerung der Trauben beitragen [1]. Diese Methode wird beispielsweise in Kalifornien bei der Sorte Zinfandel eingesetzt, und sie wird insbesondere in Frankreich genutzt, da durch den frühen Applikationstermin die Ertragsreduzierung schwächer ausfallen soll. Dazu haben HILL & SPIES (2008) [1] bei verschiedenen Rebsorten Versuche durchgeführt, die nur teilweise Erfolg versprechend waren.

In den eigenen Versuchen am DLR Rheinpfalz konnten dagegen deutliche Effekte bei der frühen GIBB3-Applikation beobachtet werden. Bei Grauburgunder und Weißburgunder betrug die Gescheinsstreckung etwa 25 bzw. 29 %. In der Folge war der Einfluss auf die Traubenstruktur erkennbar, allerdings müssen hierzu noch weiterführend Untersuchungen durchgeführt werden, so dass zum jetzigen Zeitpunkt die Behandlung während der Rebblüte als Standardmaßnahme anzusehen ist. Anhand der mehrjährigen Versuchsergebnisse verdeutlicht der unterschiedliche Wirkungsgrad gegenüber Botrytis die enorme Abhängigkeit der Erfolgsquote von endogenen (z.B. Blütestadium) und exogen (Temperatur, Luftfeuchte, Applikationstechnik usw.) Faktoren (vgl. Abbildungen 1 und 2). In den untersuchten Regalis-Varianten mit der Rebsorte Grauburgunder zeigte die Standardvariante mit 1,5 kg Regalis/ha zum Entwicklungsstadium Vollblüte (ES 65), gemittelt über die Versuchsjahre, gegenüber Botrytis den höchsten Wirkungsgrad. Da die Wirkung der Bioregulatoren für eine optimale Traubengesundheit nicht immer ausreicht, müssen weitere weinbauliche Maßnahmen wie z.B. Teilentblätterung oder das Abstreifen der Gescheine, in Kombination mit einem Botrytizid-Einsatz, angewendet werden.

Blütenbiologie als Stellschraube für das Traubendesign?

Letztendlich hat der Blüteverlauf einen maßgeblichen Einfluss auf das Traubendesign und erklärt die großen Jahrgangsunterschiede im Hinblick auf die unterschiedlichen Ertragsfaktoren wie Beerenanzahl pro Traube sowie das durchschnittliche Traubengewicht zur Lese.

Eine enge Korrelation besteht zwischen der durchschnittlichen Beerenzahl pro Traube und der Traubenkompaktheit. Es ist hinreichend bekannt, dass durch eine hohe Befruchtungsrate sowie ein ergiebiges Wasserangebot nach der Blüte große schwere Trauben im Herbst entstehen, die wiederum hinsichtlich Traubengesundheit Probleme bereiten und eine Ursache für die Fäulnisprobleme der letzten Jahre sind. Die Blüte erfolgt in unseren Bereichen in der Zeit zwischen Ende Mai bis Mitte Juni, wenngleich in den letzten Jahren aufgrund der Klimaerwärmung der Beginn immer zeitiger eingesetzt hat (Mittelwerte 2001-2010 am 8. Juni; 1991-2010 am 10. Juni; 1981-2010 am 13. Juni). Der Blütebeginn ist eng mit der Temperatur korreliert, so dass der Termin etwa 6 bis 8 Wochen nach dem Austrieb einsetzt.

Die Durchblührate wird maßgeblich von der Witterung beeinflusst. Förderliche Faktoren sind: hohe Lichtintensität, hohe Temperaturen, geringe Luftfeuchtigkeit, gute Wasserversorgung, wenig Niederschlag zur Blüte, mittleres Wachstum. Während in den vergangenen Jahrzehnten aufgrund von Kaltlufteinbrüchen während der Blüte die Trauben enorme Verrieselungsschäden aufzeigten, ist dieses Phänomen in der heutigen Zeit eher die Ausnahme. Biologisch gesehen kommt es immer zum Verrieseln. Ursachen sind unzureichende Nährstoffversorgung, aber auch die Versorgung von Kohlenhydraten an die jungen Gescheine. Gescheine mit hoher Blütenzahl verrieseln stärker als Gescheine mit niedriger Blütenzahl. Offenbar konkurrieren die Blüten untereinander, so dass bei hoher Blütenzahl eine Art von Selbstregulation auftritt. Die basalen Gescheine verrieseln stärker als die akropetal (= Entwicklungsrichtung von der Basis zur Spitze) angeordneten Gescheine. Demzufolge hat die basal inserierte Traube immer den höchsten Beerenansatz. Der Beerenansatz schwankt zwischen 20 und 50%, wobei die Sorten Silvaner, Morio-Muskat und Riesling im höheren Bereich liegen und damit kompaktere Trauben bilden. Die Blütenzahl pro Infloreszenz ist damit stark sortenabhängig.

Die Entwicklungsphasen der Beeren als Grundlage zum Verständnis für das Dickenwachstum

Aromaintensive Weine werden insbesondere von Trauben mit kleineren Einzelbeeren gewonnen, die durch ein enges Saft/- Schalenverhältnis einen höheren Anteil an wertgebenden Inhaltsstoffe besitzen. Umso wichtiger ist es, Kenntnisse über Regulierungsmechanismen zum Dickenwachstum der Beeren zu haben. Es werden drei verschiedene Beerenentwicklungsphasen unterschieden, wobei der Fokus auf der ersten Phase liegt.

  • In der ersten Entwicklungsphase findet die erste Phase des Dickenwachstums statt. Diese erstreckt sich je nach Sorte und Jahrgang über einen Zeitraum von 5 bis 6 Wochen. Der von den Blättern gelieferte Zucker wird für Zellteilungsprozesse verwendet. In wuchsstarken Anlagen mit tiefgrünen chlorophyllreichen Blättern findet eine intensive Photosynthese statt, die wiederum das Wachstum beschleunigt. Der erste Laubschnittzeitpunkt muss zeitlich früher durchgeführt werden, was wiederum zu einer Verstärkung des Dickenwachstums der Beeren führen kann. Liegt in dieser Phase ein Wassermangel vor, stellt die Rebe zunächst das vegetative Wachstum ein. Die Assimilationsleistung sinkt, da die Rebe zum Schutz vor Austrocknung die Spaltöffnungen schließt. Das verringerte Zuckerangebot an die jungen Trauben verlangsamt die Zellteilung/Dehnung und bremst damit das Dickenwachstum aus. Die Folge sind kleinere Beeren, die unter anderem zu niedrigeren Traubengewichten bei der Lese führen.
Reifephase: hohe Niederschläge in der Reifephase verstärken das Aufplatzen der Beeren bei Riesling. Die Folgen sind frühzeitige Fäulnis mit hohem Qualitätsverlust.
  • In der Beerenentwicklungsphase II, der sogenannten Sistierungsphase, zeigen die Beeren einen Vegetationsstillstand. Mit einer Dauer von ca. 4 bis 24 Tagen ist diese Phase sehr sortenabhängig. Von Beginn der zweiten Phase bis zur Lese verdoppelt sich annäherungsweise die Beerengröße [2].
  • Die dritte Phase stellt die eigentliche Reifephase dar. In dieser Phase findet nochmals Dickenwachstum statt, welches ausschließlich auf eine Streckung und Vergrößerung der Zellen und nicht auf Zellteilungsprozesse zurückgeführt wird. Diese Vorgänge benötigen im Gegensatz zum Dickenwachstum der ersten Beerenentwicklungsphase keinen Zucker. Der gebildete Zucker wird eingelagert und führt zum Mostgewichtsanstieg. In dieser Phase ist die Wasserversorgung des Bodens eine entscheidende Einflussgröße für das Dickenwachstum der Beeren. Auf mit Wasser gut oder optimal versorgten Böden werden die Einzelbeeren größer, wobei der hohe osmotische Druck in der Beere zu Rissbildungen an der Beerenhaut und in Folge zu Aufplatzerscheinungen führen. Dieses Phänomen wurde in den letzten Jahren an bestimmten Rebsorten wie Riesling, Scheurebe, Huxelrebe, Portugieser oder St. Laurent beobachtet.


Neuere wissenschaftliche Arbeiten der Leibniz Universität Hannover haben gemeinsam mit dem DLR Rheinpfalz aufgezeigt, dass die Platzanfälligkeit von der Balance zwischen der Wasseraufnahme und –abgabe bestimmt wird. Maßnahmen, die zu einer Verringerung der Nässedauer, einer guten Durchlüftung der Trauben und damit zu einer erhöhten Transpiration führen, verringern das Aufplatzen der Beeren und damit auch den Fäulnisbefall. [3] Darüber hinaus entscheidet neben dem Dickenwachstum der Beeren auch die Struktur und Dicke der Beerenhaut sowie der Wachsschicht darüber, ob es zum Aufplatzen kommt.

Amerikanische Studien haben gezeigt, dass bei kompakten Traubensorten an den enganliegenden Beeren die Wachsschicht (= Cuticula) und die Beerenhaut weniger stark ausgeprägt waren. Diese Stellen zeigten in der Folge eine erhöhte Botrytis-Anfälligkeit. Weiterhin wurden an besonnten Beeren dickere Wachsschichten festgestellt. Hier besteht auch ein Zusammenhang zwischen Entblätterungsmaßnahmen und der Traubengesundheit. Die erhöhte Botrytis-Resistenz der freigestellten Trauben kann auch auf diesen Sachverhalt zurückgeführt werden. Zwischen den einzelnen Rebsorten bestehen hinsichtlich der Beerenhautausprägung enorme Unterschiede. ROSENQUIST & MORRISON (1989) [4] haben bei Cabernet Sauvignon das Gewicht der Cuticula mit 11,9 µg/mm2 bestimmt, während der Spätburgunder mit 5,5 µg/mm2 eine wesentlich dünnere Cuticula aufwies. Aus diesem Sachverhalt lassen sich auch die unterschiedlichen Anfälligkeiten gegenüber biotischen und abiotischen Schaderregern erklären. Schon früh hat man erkannt, dass die mechanisch-physikalischen Eigenschaften der Beerenhaut als möglicher Resistenzfaktor gegen über Schadpilzen wirken können. SCHMITT (2009) [5] hat in seiner Dissertation über die Genexpressionsanalyse zur Ausprägung der Lockerbeerigkeit bei Spätburgunder bestimmte Gene identifiziert, die für die Merkmalsausprägung Lockerbeerigkeit verantwortlich sind. Diese Kenntnisse könnten zukünftig in der Klonenzüchtung eingesetzt werden, damit der Praxis in naher Zukunft weitere lockerbeerige Klone zur Verfügung stehen.

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Trauben- und Beerenmorphologie maßgeblich für die Traubenqualität im Herbst verantwortlich ist. Durch unterschiedliche weinbauliche Maßnahmen sowie Wuchskraftregulierung kann die Winzerpraxis gezielt in das Traubendesign eingreifen. Andere Einflussfaktoren werden von der Witterung bestimmt und erklären im Hinblick auf die Traubengesundheit die großen Jahrgangsunterschiede, die wiederum die Güte und Qualität des Jahrgangs prägen.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Hill, G. K. & S. Spies (2008): Lockere Trauben durch Gibberelline im Frühjahr? Der Deutsche Weinbau (Nr.11): 16-19.
  2. Kennedy, J. (2002): Understanding grape berry development. Practical winery & vineyard (7/8).
  3. Knoche, M., Grimm, E., Becker, T. & A. Kortekamp (2011): Das Platzen von Weinbeeren und Kirschen: Ein Vergleich von Äpfeln und Birnen? Tagungsband 64. Pfälzische Weinbautage: 18-20.
  4. Rosenquist, J. K. & J. C. Morrison(1989): Some factors affecting cuticle and wax accumulation on grape berries. American Journal of Enology and Viticulture (40): 241-244.
  5. Schmitt, A. (2009): Genexpressionsanalyse zur Ausprägung der Lockerbeerigkeit der Weinrebe (Vitis vinifera L.) cv. Spätburgunder. Dissertation, Justus-Liebig-Universität Gießen (Lehrstuhl für Pflanzenzüchtung).

Literaturverzeichnis

  • Hill, G. K. (2007): Lässt sich ein Aufplatzen der Beeren vermeiden? Der Deutsche Weinbau (Nr. 16/17): 50-53.
  • Petgen, M. (2012): Traubendesign unter dem Aspekt des Klimawandels. Des Deutsche Weinmagazin (Nr. 5/10. März 2012): 9-13.