Stickstoff

Aus Vitipendium
Wechseln zu: Navigation, Suche

Stickstoff (N) gilt als Motor für das Pflanzenwachstum. Er ist Baustein für Aminosäuren, Eiweiß, Enzyme und deren Cofaktoren, sowie für Nucleinsäuren und Vitamine. Zusammen mit Magnesium ist Stickstoff wesentlich am Chlorophyllaufbau beteiligt. Das Angebot an pflanzenverfügbarem Stickstoff beeinflusst Vitalität und Wüchsigkeit der Reben und damit auch ihre Ertrags- und Qualitätsbildung. Für den Gärverlauf und die Weinentwicklung haben die hefeverwertbaren Aminosäuren Arginin und Glutamin, sowie Ammoniumverbindungen eine große Bedeutung. Ein Mangel im Traubenmost kann den Gärverlauf erheblich stören.

Da Luft-Stickstoff (N2) für die Rebe nicht verwertbar ist, ist sie auf die Vorräte im Bodenhumus angewiesen. Der organisch gebundene Stickstoff ist erst nach dessen Mineralisation verfügbar und wird als Ammonium und Nitrat von den Rebwurzeln aufgenommen. In den gebräuchlichsten N-Düngern, die über den Boden gegeben werden, liegt der Stickstoff ebenfalls in Ammonium- und Nitratform vor. Über die Blätter sind neben Nitrat auch Carbamid (Harnstoff) und Aminosäuren unmittelbar aufnehmbar.


Stickstoff im Boden

Stickstoff findet sich im Boden hauptsächlich im Humus (organische Bindung). Damit werden in Weinbergsböden 3000 bis 10 000 kg N ha-1 gespeichert. Davon werden durch die Humusmineralisation jährlich 0,5 bis 3 % in pflanzenverfügbares Ammonium und Nitrat (Nmin) umgewandelt. Somit können den Pflanzen je nach Bodenart und Bodenbewirtschaftung 25 bis über 200 kg N ha-1 zur Verfügung stehen. Die Mineralisationsintensität steigt mit dem Grad der Bodendurchlüftung. So finden sich in Böden mit höherem Sand- und Skelettanteil, aber auch bei intensiver bearbeiteten Böden steigende Gehalte an Nmin. Die Etablierung einer wuchskräftigen und mehrjährigen Bodenbegrünung führt zu einer deutlichen Abnahme des mineralisierten Stickstoffes.

Geschätzte Stickstoffmineralisation aus Humus pfälzischer Weinbergsböden
Stickstofffixierung durch Leguminosen im Weinbau

Beachtenswerte Zufuhren erfolgen über die N-Fixierung durch die Symbiose von Leguminosen und Knöllchenbakterien. Während bei reinen Leguminosenbeständen im Ackerbau über Fixierungsmengen von 30 bis 500 kg N ha-1 a-1 (Kahnt, G., 2008) berichtet wird, ist bei Leguminosen-Untersaaten im Weinbau bis 80 kg N ha-1 a-1 zu rechnen. N-Einträge durch Nass- und Trockendepositionen sollen sich auf 10 bis 15 kg N ha-1 a-1 belaufen.

Während Ammonium (NH4+) als Kation gut an den Sorptionskomplexen des Bodens (Ton, Humus) anlagert und sich somit nur langsam in tiefere Bodenhorizonte bewegt, unterliegt das Anion Nitrat (NO3-) einer hohen Auswaschungsgefahr. Vor allem Böden mit geringerer Wasserhaltefähigkeit (Feldkapazität) wie Sand- und Steinböden weisen in niederschlagsreicheren Winterphasen hohe Sickerwasserraten und damit starke Nitratverlagerungen auf. Unter ungünstigen Bedingungen können bis zu 200 kg NO3-N ha-1 a-1 ausgewaschen werden. Im Ackerbau werden 20 bis 40 kg NO3-N ha-1 a-1 als unvermeidbare Verluste angesehen.

Durch Denitrifizierung können gasförmige N-Verluste (NOx) in Höhe von 1 bis 16 % des Dünger-N auftreten. Insbesondere bei Sauerstoffmangel im Boden (Verdichtungen, Staunässe, hoher Tongehalt) kommt es zu diesen Entgasungsverlusten in Form von Distickoxiden (N2O) und anderen N-Formen (NO, N, N2). Weiterhin kann es beim Zusammenkommen von ammoniumhaltigen Düngern und Kalk, aber auch bei Ausbringung nicht vollständig verrotteter Humusdünger zur Austreibung von größerer Mengen an Ammoniak (NH3) kommen.

Stickstoff in der Rebe

Abbildung 1: Aufnehmbare Stickstoffformen
Abbildung 2: Stickstoffaufnahme der Reben

Je nach Wüchsigkeit und Traubenbehang entnehmen die Reben in Laufe der Vegetation 40 bis 120 kg N ha-1. Davon finden sich 40 bis 50 % im Reblaub, ca. 45 % in den Trauben und 11 % im einjährigen Holz. Da in der Regel Laub und Schnittholz im Weinberg verbleiben, werden lediglich 15 bis 35 kg N ha-1 mit den Trauben aus dem Weinberg abgeführt. Im Verlaufe der Traubenverarbeitung und Weinbereitung können ca. 90 % des Trauben-N wieder als Trester, Trub und Hefe in den Weinberg zurückfließen. Lediglich 1 bis 3 kg N ha-1 verlassen mit dem Wein den Betrieb.

Jährlicher Stickstoffentzug durch Reben bei einem Ertrag von 10 t Trauben ha-1 (in kg ha-1 a-1)
Bestandteile N-Entzug (kg ha-1 a-1)
Trauben (10 t) 18,0 bis 23,0
einjähriges Holz 4,5 bis 6,5
Laub 15,5 bis 29,5
Gesamt 38,0 bis 59,0

Stickstoff wird von den Wurzeln in Form von Nitrat und in geringerem Umfang von Ammonium aufgenommen (siehe Abbildung 1). Der größere Teil des Nitrates wird hier reduziert und als NH2-N in Aminosäuren und Amiden eingebaut. Der Transport in der Pflanze erfolgt vorwiegend als Glutamin. Erst bei einem höheren N-Angebot erfolgt auch die Verlagerung von nennenswerten Mengen in Nitratform. Bei Blattapplikationen von Stickstoff werden in erster Linie Carbamid (Harnstoff), Nitrat und Aminosäuren verwendet.

Zu Beginn der Rebenvegetation (Knospenschwellen bis Rebblüte) werden nur geringe N-Mengen durch die Rebwurzeln aufgenommen. Der Großteil des Stickstoffes (ca. 20 % des Gesamtbedarfes) der in dieser Entwicklungsphase benötigt wird, kommt aus den Reserveorganen im Holzteil der Rebe. Erst ab dem 5- bis 6-Blattstadium der Reben beginnt die N-Aufnahme über die Wurzeln (siehe Abbildung 2). Sie steigert sich zur Zeit der Rebblüte und erreicht nach ca. 4 Wochen (Erbsengröße) mit 1,5 bis 1,6 kg N ha-1 d-1 ihren Höhepunkt. Ein weiterer Aufnahmehöhepunkt (ca. 1 kg N ha-1 d-1) liegt kurz nach der Ernte. Vermutlich werden hierbei die N-Reserven in den mehrjährigen Organen aufgefüllt.

Stickstoffmangel

N-Mangel verursacht eine gestörte Eiweiß- und Enzymbildung, sowie eine unvollständige Entwicklung der Chloroplasten. Dadurch vermindertet sich die photosynthetische Aktivität und die Wüchsigkeit der Reben. Bei stärkerem Mangel leidet die Trockenresistenz der Reben und es kommt zur Notreife von Holz und Trauben. Im Folgejahr ist dann ein schlechter Austrieb zu beobachten. Die Symptome von N-Mangel zeigen sich zunächst durch gelblich grüne bis hellgelbe Blätter sowie rötliche Blattstiele und Triebe. Bei stärkerem Mangel kommt es zu frühzeitigen Laubvergilbungen und Blattfall. Bei langfristigem N-Mangel geht das Triebwachstum stark zurück, die Triebe bleiben kurz und dünn. Die Folgen für Ertrag und Qualität von Trauben sind geringere Mostgewichte und langfristig rückläufige Erträge. Die Moste weisen weniger hefeverwertbare N-Verbindungen auf, was zu Gärstörungen und einem erhöhtem Böckserrisiko führen kann. Die Weine aus Parzellen mit starkem N-Mangel werden als dünn, extraktarm mit veränderten, sortenuntypischen Aromen (Stressnoten) beschrieben.

Stickstoffüberschuss

Ein zu hohes N-Angebot verursacht bei der Rebe übermäßig starken und mastigen Wuchs. Die Reben reagieren hierauf durch eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit und verstärktes Verrieseln der Traubenblüte. Die starke Wüchsigkeit erhöht die Neigung zur Stiellähme, aber auch zu schlechter Holzreife und geringer Winterfrostfestigkeit. Mit N überdüngte Reben zeigen eine verminderte Phosphataufnahme. Junge Reben sollen auf N-Überschuss durch eine verringerte Wurzelbildung reagieren. Durch den erhöhten Fäulnisbefall an den Trauben weisen die Weine aus N-überdüngten Parzellen vermehrt Fremdtöne auf und bei Rotweinen sind verstärkt Farbdefekte zu beobachten. Das erhöhte Auftreten von Stiellähme an Trauben führt zu unreifen und flachen Weinen. Mit erhöhter N-Düngung steigt die Gefahr von Eiweißtrübungen im Wein, somit steigt der Bentonitbedarf beim Weinausbau.

Einzelnachweise


Literaturverzeichnis

  • Ziegler, B. (2013): Stickstoff. Rhodt unter Rietburg (ehemaliger Spezialberater für Bodenpflege und Düngung der Abteilung Weinbau & Oenologie (Gruppe Weinbau), Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz, Neustadt an der Weinstraße).
  • Ziegler, B. (2012): Rebendüngung. Abteilung Weinbau & Oenologie (Gruppe Weinbau), Broschürenreihe des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Rheinpfalz, Neustadt an der Weinstraße: 58 Seiten.
  • Alleweldt, G. & N. Merkt (1992): Der Stickstoffexport der Wurzel und die Zusammensetzung des Xylemexsudats., Teil 1: Der Einfluss einer zunehmenden Stickstoffdüngung. Vitis 31: 121-130.
  • Currle, O., Bauer, O., Hofäcker, W., Schumann, F. & W. Frisch (1983): Biologie der Rebe. D. Meininger Verlag und Druckerei GmbH, Neustadt an der Weinstraße: 311 Seiten. ISBN 3-87524-031-6
  • Linsenmeier, A. (2007): Einfluss der Stickstoffversorgung der Rebe (Vitis vinifera L. cv. Riesling) auf den untypischen Alterungston. Geisenheimer Berichte Band 60.
  • Löhnertz, O., Schaller, K. & K. Mengel (1989): Nährstoffdynamik in Reben. I. Mitteilung: Nitrat in verholzenden und vegetativen Teilen. Wein-Wissenschaft, Wiesbaden 44: 22-27.
  • Löhnertz, O., Schaller, K. & K. Mengel (1989): Nährstoffdynamik in Reben. II. Mitteilung: Nitrat in verholzenden und vegetativen Teilen. Wein-Wissenschaft, Wiesbaden 44: 77–84.
  • Löhnertz, O., Schaller, K. & K. Mengel (1989): Nährstoffdynamik in Reben. III. Mitteilung: Stickstoffkonzentration und Verlauf der Aufnahme in der Vegetation. Wein-Wissenschaft, Wiesbaden 44: 192-204.
  • Müller, K. (1991): Die Mineralisation des organisch gebundenen Stickstoffs in Weinbergsböden Teil 1: Die Nmin-Dynamik. Vitis 30: 151-166.