Sonnenbrand

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Sonnenbrandschäden an Trauben treten seit den 1990er Jahren verstärkt auf. Betrachtet man ältere Weinbauliteratur, so wird ersichtlich, dass das Phänomen nicht neu ist. Bereits von Babo und Kern berichten 1846 von „Trauben, die der Sonne ausgesetzt sind, von verdorbenen und verwelkten Trauben“.

Schadbild

Das Schadbild von Sonnenbrandschäden an Trauben ist abhängig vom phänologischen Entwicklungsstadium. Die Anfälligkeit gegenüber Sonnenbrand ist kurz vor dem Weichwerden der Beeren am größten. Vor Reifebeginn führt der Sonnenbrand zunächst zum „Verbrennen“ scharf begrenzter Bezirke der Beerenhaut. Die Schäden sind anfänglich stecknadelgroß und breiten sich mit zunehmendem Stress schnell weiter aus. Die Schädigung bezieht sich auf die Epidermis und die darunter liegenden parenchymatischen Zellen. Das betroffene Gewebe stirbt ab, verfärbt sich zunächst gelblich, geht allmählich in rotbraun über und fällt nach dem Eintrocknen zusammen. Es entstehen dadurch mehrere Millimeter tiefe Dellen mit unregelmäßigen Umrissen.
Nach Reifebeginn beschränkt sich der Sonnenbrand in der Regel auf die Schädigung der Epidermis, jedoch ohne dass es anschließend zu einem Einfallen von Gewebe und zu einer Dellenbildung kommt. Bei besonders exponierten Trauben trocknen die Beeren in heißen Jahren trotz fortgeschrittenem Reifestadium ein. Das Stielgerüst wird teilweise geschädigt, was zur Unterversorgung der Traube führt (Welkwerden, verminderte Zuckereinlagerung, Reifeverzug). Gegen Ende des Reifeprozesses neigen die Beeren zum rosinenartigen Schrumpfen, weil Wasser durch die rissige Cuticula ungehindert verdunsten kann. Dieses Schadbild wurde im „Jahrhundertsommer“ 2003 verstärkt beobachtet. Kurz vor Lesereife zeigt sich vielfach bei weißen Sorten auf sonnenexponierten Beeren eine auffällige Bräunung bzw. Pigmentierung der Beerenhaut, die jedoch keinen Schaden darstellt.

Sonnenbrandschäden bei Riesling aus dem Jahr 2016










Vermeidungsstrategien

Grundsätzlich kann zwischen direkten und indirekten Vermeidungsstrategien unterschieden werden.

Indirekte Vermeidungsstrategie

Bei empfindlichen Rebsorten steht die Lagenwahl besonders im Fokus. Bei einer Nord-Süd-Zeilung treten am Nachmittag auf der Westseite die höchsten Temperaturen auf. Entsprechend groß ist die Sonnenbrandgefahr. Kühlere Lagen wie Nordhänge oder Höhenlagen könnten zukünftig eine größere Rolle spielen. Alternative Erziehungssysteme wie Minimalschnitt können in Jahren mit Sonnenbrand Vorteile haben, da ein Teil der Trauben im Stockinneren durch das Laubdach beschattet ist und kaum Sonnenbrandschäden erfährt. In Minimalschnittanlagen sind die Trauben lockerbeeriger und besitzen dickere Beerenhäute . Die geringere Schädigung mit Sonnenbrand von Minimalschnitttrauben kann auf die veränderte Cuticula-Struktur der Beeren zurückgeführt werden. Allerdings muss man sich kritisch fragen, inwieweit diese Erkenntnis eine großflächige Umstellung rechtfertigt.

Direkte Vermeidungsstrategie

Durch direkte Vermeidungsstrategien kann der Winzer rasch auf mögliche Sonnenbrandschäden reagieren. Häufig treten die stärksten Schäden in den Anlagen auf, die kurz vor einem Witterungswechsel entblättert werden. Dies konnte in einem Entblätterungsversuch mit der Rebsorte Riesling (Zeilenausrichtung Ost-West, Mußbacher Johannitergarten) im Jahr 2016 bestätigt werden (Petgen, 2017). Die beidseitige Entlaubung der Traubenzone zum Zeitpunkt der Veraison (75 bzw. 100 % Freistellung) führte zu den größten Sonnenbrandschäden. Dieser Termin lag mit dem 22. August unmittelbar vor dem bereits beschriebenen Wetterumschwung. Der geringste Sonnenbrandschaden konnte in der frühen Entlaubungsvariante um die Blüte herum festgestellt werden und belegt nochmals den abhärtenden Effekt der Beeren gegenüber Sonnenbrandschäden. Das besondere in 2016 war der späte Zeitpunkt der Schäden, der nach Reifebeginn festgestellt wurde. Erst mit dem Ende des meteorologischen Sommers Ende August startete der eigentliche Sommer durch. Spitzentemperaturen wurden am Samstag, den 27. August mit Tagesmaximumwerten von 34,8°C (2 m Höhe, Wetterstation Neustadt/W.) erreicht und der Wetterumschwung läutete den goldenen Herbst ein. Bei diesen Lufttemperaturen konnten nach eigenen Messungen an der Beerenoberfläche bis 45°C entstehen. Die Trauben waren demnach schlagartig einer Hitzeperiode ausgesetzt.

Verzichtet man auf das Freistellen der Trauben, kann dies zu einer geringeren Bildung und Einlagerung typischer Riesling-Aromen wie Citrus, Ananas oder grünem Apfel (Monoterpene wie z.B. 2-Phenylethanol oder ß-Damascenon) führen (MEYERS et al., 2013). Ferner erhöht eine verminderte Freistellung der Traube den Befall durch die Graufäule Botrytis cinerea, was mit Ausnahme weniger Süßweine zu einem generellen Qualitäts- und hohem Ernteverlust führt. Ein Verzicht auf das Freistellen der Trauben ist eher eine für heiße und sonnenreiche Klimate zielführende Maßnahme. Zahleiche Entlaubungsversuche aus der Vergangenheit konnten allerdings für die Mehrzahl der Rieslingflächen in Deutschland belegen, dass eine gewisse Besonnung der Traube zu einem gesunden, aromareichen Lesegut mit nicht zu hohen Säuregehalten führt. Zukünftig sollte die Entblätterungsstrategie darauf ausgerichtet sein, mögliche Sonnenbrandschäden zu dezimieren. Der Entblätterungszeitpunkt sollte so früh als möglich gewählt werden, um eine gewisse Abhärtung der Beeren zu erreichen. Grundsätzlich sollte immer die sonnenabgewandte Seite (Nord- bzw. Ostseite) entblättert werden. Auf ein beidseitiges Freistellen der Traubenzone kann bei empfindlichen Sorten verzichtet werden. Sicherer ist ein zweimaliges moderates Arbeiten als ein einmaliges radikales Freistellen. Ausnahmen gelten bei roten Sorten, die durch den Befall mit der Kirschessigfliege gefährdet sind. Weiterhin kann über höhere Laubwände nachgedacht werden, um eine gegenseitige Beschattung der Rebzeilen herbeizuführen. Dadurch wird allerdings das Mikroklima in der Rebanlage verändert und die weinbaulichen Konsequenzen sind eher nachteilig (schlechtere Belüftung usw.). Der Laubschnitt kann während der kritischen Wachstumsphase etwas hinausgezögert werden, so dass durch den Überhang der Triebe ebenfalls eine Teil-Schattierung erreicht wird. Man sollte den zweiten (oder auch dritten) Laubschnittzeitpunkt nicht nach arbeitswirtschaftlichen Gesichtspunkten, sondern nach dem Witterungsgeschehen planen und durchführen.

Sonnenschutz – mit Kalk und Tonerde dem Sonnenbrand an Trauben entgegenwirken

Eine weitere Möglichkeit stellt der Einsatz bzw. die Applikation von Präparaten dar, welche die Entstehung von Sonnenbrandschäden verhindern sollen und als chemischer oder physikalischer Lichtschutz fungieren. Vielversprechende Ergebnisse aus Australien liegen bereits mit Tonerdepräparaten vor. Die Wirkungsweise dieser auf Kaolinbasis verwendeten Mittel wird auf die Filterung des UV-Lichtes zurückgeführt. Gleichzeitig soll durch den ausgebrachten Belag auf den Trauben die Strahlung reflektiert werden. Vielversprechende Ergebnisse liegen bei Cabernet Sauvignon aus Chile (Lobos, G.A. et al., 2015) bzw. Kalabrien (Brillante et al., 2016) vor. Ein Einsatz von Carnaubawachs und Magnesiumsilikaten im Apfelanbau führt zu einer Filterung von UV- und IR-Licht. Im Obst- und Getreideanbau wird Calciumcarbonat mit gleicher Wirkung appliziert. Ähnliches bewirkt die Anwendung von Pinienöl, welches zusätzlich die obere Blattwachsschicht stärkt. Auch dieses Mittel ist bereits im Apfelanbau etabliert.

Versuche mit unterschiedlichen Präparaten

Kaolin ist ein natürliches Tonmineral, das zur Herstellung von Papier und Fertigung von Porzellan eingesetzt wird. Es besitzt die Eigenschaft, UV- und IR-Licht zu reflektieren, wodurch die Beerenhauttemperatur durch Sonneneinstrahlung im Vergleich zur unbehandelten Variante weniger stark erhöht werden soll. Das angewendete Mittel Surround® besteht zu 99% aus Kaolin und ist als biologisches Insektizid in der Schweiz zugelassen. Neben einer Wirkung gegen diverse Schädlinge besteht unter anderem eine Empfehlung zum Einsatz (2%ig) gegen die Kirschessigfliege. Erfolgsversprechende Ergebnisse wurden von Daniel (2015) aus der Schweiz an der Rebsorte Spätburgunder generiert. Das Mittel Surround reduzierte den Essigfäulebefall an den Trauben, ebenso war die Flugintensität in der mit Surround behandelten Variante verringert. Eine Zulassung seitens des BVL für eine Anwendung in Deutschland liegt noch nicht vor. Für eine Behandlung gegen den Sonnenbrand wurde im vorliegenden Versuch eine Konzentration von 5% gewählt und mit 550 l/ha Wasser beidseitig mittels Rückenspritze in die Traubenzone ausgebracht. Obwohl sich das Präparat als relativ regenfest erwiesen hat, musste die Behandlung im Jahr 2017 nach Niederschlägen regelmäßig wiederholt werden. In der Zwischenzeit konnte sich ein Präparat mit ähnlicher Zusammensetzung (99% Kaolin) auch auf dem deutschen Markt verbreiten, welches von der Firma Biofa (Cutisan®) als Pflanzenstärkungsmittel vertrieben wird. Bei Applikation von 5% bei 550 l/ha Wasser werden 27,5 kg/ ha benötigt. Das Mittel Gold Dry® der Firma Biolchim ist als Spurennährstoff-Mischdünger zugelassen, das sich aus Siliziumoxid, Bor, Mangan-Sulfat und Zink-Sulfat zusammensetzt. Da eine vergleichbare Benetzung wie bei einer Ausbringung eines reinen Kaolin-Präparates besteht, kann auch hier von einer 5%-igen Anwendung ausgegangen werden. Der „fiMUM-Fruchtkalk“ wird bereits seit einiger Zeit als Blattdünger mit breitem Wirkungsspektrum beworben (Fa. Schneider Verblasetechnik e.K.). Dieser setzt sich zu 74% zusammen aus Calciumhydroxid (Löschkalk) und wirkt in Wasser als Lauge mit einem pH-Wert von etwa 12,6. Nach der Anwendung wird zur Beseitigung des weißen Films eine Reinigung des Sprühgerätes mit Zitronensäure empfohlen. Nachdem sich das Präparat (Applikation 2%-ig mit 550 l Wasser/ ha) als weniger regenfest erwiesen hat, sollte der Belag daher nach Niederschlagsereignissen häufiger erneuert werden.

Die Applikation beider Präparate erfolgte zwischen dem 26.6. und dem 13.8.2017 mit jeweils sieben Behandlungen. Zum ersten Termin befanden sich die Reben im BBCH-Stadium Erbsengröße, bei dem die Trauben einer erhöhten Sonnenbrandgefährdung ausgesetzt sind. Die letzte Behandlung erfolgte zum Stadium Reifebeginn bzw. Weichwerden der Beeren (ES 81). Die letzten drei Applikationen erfolgten nach der Durchführung der Teilentblätterung zur Veraison. Im Versuch stellte sich heraus, dass das Kaolin im Vergleich zum Fruchtkalk wesentlich beständiger auf der Oberfläche von Blatt und Beere haftete. Um eine Aussage über die Haftung beider Mittel treffen zu können wurden kurz vor der Lese an einzelnen Blättern mit Hilfe des WinDIAS der Bedeckungsgrad ermittelt. Dieser betrug bei den mit Kaolin behandelten Blättern 99%. Die mehrmalige Applikation mit Fruchtkalk konnte die Blätter zu 69% bedecken. Eine genaue Auswertung an den Beeren war aufgrund der rundlich-ovalen Form nicht möglich und konnte nur grob geschätzt werden.

Erste Ergebnisse mit Kaolin und Kalk Wie bereits erwähnt traten während des Versuches in 2017 keine Sonnenbrandschäden auf. Dagegen wurde das Auftreten von Botrytis merklich durch die Behandlungen beeinflusst. Alle Entblätterungsmaßnahmen reduzierten wie erwartet den Botrytisbefall an den Trauben. Die frühe Teilentblätterung um die Blüte zeigte wie bereits in den Vorjahren den geringsten, die Kontrolle dagegen den höchsten Befall mit Botrytis. Eine Kombination von Entblätterung plus Kaolin bzw. Kalk verringerte das Auftreten der Traubenfäule, wobei das Mittel Surround die besten Ergebnisse erzielte. Trotz der intensiven Bedeckung beider Präparate auf Trauben und Blätter konnten keine Unterschiede hinsichtlich der Photosyntheseleistung beobachtet werden. Die Mostgewichte schwankten im Bereich von 86° Oe (komplette Freistellung zur Veraison) und 89°Oe (komplette Freistellung zur Veraison + Fruchtkalk). Allerdings sei erwähnt, dass die Applikation beider Mittel nur auf die Traubenzone begrenzt war und die Laubwandzone oberhalb nicht beeinträchtigt wurde.

Kurz vor der Lese wurde an den Beeren der sogenannte „puncture-test“ mit Hilfe eines Messgerätes (Firm Tech Fruit Firmness2) der Fa. BioWorks, Wamego, USA durchgeführt. Das Messgerät besteht aus einem Drehteller, auf dem die zu messenden Beeren platziert werden. Über einen Schrittmotor wird ein Stempel, an deren Ende eine feine Nadel mit einem Durchmesser von 0,19 mm platziert ist, hoch und runtergefahren. Hierbei wird mit Hilfe einer feinen Nadel die Gewichtskraft zur Durchdringung der Beerenhaut ermittelt. Dadurch erhält man Informationen über die Schalenreife oder über die Fäulnisanfälligkeit der Trauben. Darüber hinaus ist eine Korrelation mit der Beerenhautdicke denkbar. Für die Messung wurden die Trauben nach einem vorgegebenen Entnahmeprotokoll (jeweils an 10 Trauben 10 unverletzte Beeren an unterschiedlichen Positionen der Trauben) entnommen und vermessen. Sowohl die komplett entlaubte Variante (100% Veraison) als auch die Kombination von Entblätterung und Einsatz von Kalk und Kaolin zeigten tendenziell einen erhöhten Eindringwiderstand der Nadel an. Von daher kann angenommen werden, dass sich die Beerenhaut verändert hat. Im Falle eines Auftretens von Sonnenbrandschäden könnten die durchgeführten Maßnahmen möglicherweise Sonnenbrandschäden abmildern.

Zusammenfassend muss davon ausgegangen werden, dass es zukünftig aufgrund des Klimawandels vermehrt zu Sonnenbrandschäden an den Trauben kommen wird. Der weiter voranschreitende Ozonabbau lässt höhere Strahlungsintensitäten erwarten. Indirekte Vermeidungsstrategien wie Laubwandmanagment können das Risiko von Sonnenbrandschäden reduzieren. Inwieweit die angewendeten Präparate Sonnenbrandschäden vorbeugen können ist noch nicht vollständig erforscht.






Einzelnachweise

Quelle Text: Dr. Matthias Petgen und Christine Kleber, DLR Rheinpfalz, Institut für Weinbau und Oenologie

Literaturverzeichnis

DANIEL, C. (2015): Bekämpfung von Drosphila suzukii in Reben: Versuchsbericht 2014, FiBL Schweiz

PETGEN, M.; RAU, M. 2014. Reifereduzierende Maßnahmen. Teil I und II: Wie könnte eine erfolgsversprechende Anpassungsstrategie auf den Klimawandel aussehen, Das Deutsche Weinmagazin 69(09), 21-25 und 69(10) 16-21.

PETGEN, M. (2017): Brandgefährlich. Sonnenbrand an Trauben – Ursachen und Vermeidungsstrategien. Der Deutsche Weinbau 15, 20-23.

RUDY, H.; SCHOLTEN, G. 2007. Petrolnote im Riesling entgegenwirken. Der Deutsche Weinbau 62(18), 32-34.

SACKS, G.L.; GATES, M.J.; FERRY, F.X.; LAVIN, E.H.; KURTZ, A.J.; ACREE, T.E. 2012. Sensory threshold of 1,1,6-trimethyl-1,2-dihydronaphthalene (TDN) and concentrations in young Riesling and non-Riesling Wines. J. Agric. Food Chem. 60(12), 2998–3004.