Nützlinge

Aus Vitipendium
Wechseln zu: Navigation, Suche

Als Nützlinge werden in landwirtschaftlichen Kulturen oder auch im Forst Tiere bezeichnet, die als natürliche Gegenspieler von Schädlingen auftreten und diese bekämpfen. Diese Einteilung ist unabhängig von der Tierart: Nützlinge sind unter anderem Eidechsen, Insekten fressende Vögel und Säugetiere wie Igel und Spitzmaus. Das größte Nützlingspotenzial in Rebflächen stellen allerdings die Gliederfüßer (Arthropoda), zu denen die Insekten und Spinnentiere gehören.

Räuber und Parasiten

Man kann die Nützlinge in Räuber (z.B. Marienkäfer, Florfliege, Tausendfüßler) und Parasitoide (z.B. Schlupf- und Erzwespen, Raupenfliegen) unterteilen.

Räuber sind in der Lage, den Schaderreger oder dessen Eier zu vertilgen oder auszusaugen. Parasitoide legen ihre Eier in oder an das Nährtier (= Wirt) oder dessen Eier, Larven- oder Puppenstadien. Die Parasitoidenlarve ernährt und entwickelt sich im Wirt. Erst unmittelbar vor der Verpuppung der Parasitoidenlarve stirbt der Wirt ab. Bei vielen Schlupfwespen verlassen die ausgewachsenen Larven den Wirt und verpuppen sich außerhalb.

Schutz- und Säuberungsräuber

Schutzräuber (z.B. Raubmilben (die wichtigsten Nützlinge im Weinbau) und einige Wanzenarten) können Weinberge nur dann vor Schaderregern schützen (hier: Spinnmilben), wenn sie vor einer Massenvermehrung des Schädlings in ausreichender Anzahl (z.B. gegen Obstbaumspinnmilbe mindestens eine Raubmilbe pro Blatt) an den Reben vorhanden sind.

Schutzräuber zählen im Weinbau zu den effektivsten Gegenspielern von Schadmilben. Sie sind in der Lage, sich langfristig im Weinberg zu halten, wenn ausreichend Ersatznahrung pflanzlicher oder tierischer Herkunft zur Verfügung steht.

Schutzräuber können den Aufbau einer starken Schädlingspopulation verhindern. Ist jedoch bereits eine solche vorhanden, so sind sie in der Regel nicht in der Lage, diese in kurzer Zeit auf ein Maß unterhalb der Schadensschwelle zu dezimieren.

Demgegenüber kommen die Säuberungsräuber (meist Fluginsekten wie Florfliegen, Marienkäfer, Schlupf- und Erzwespen usw.) erst zur Geltung, wenn die als Nahrung dienenden Organismen in größerer Menge vorhanden sind, wobei dies nicht unbedingt Schädlinge sein müssen. Kommt es zu einem stärkeren Befall durch einen Schaderreger, so ist eine rasche Besiedlung durch einen Säuberungsräuber in ausreichender Anzahl nötig, um einen wirtschaftlichen Schaden zu verhindern. Sind die Schaderreger vertilgt, dann wandert die Mehrzahl der Tiere ab, da sie keine alternativen Nahrungsquellen nutzen können. Viele Säuberungsräuber wandern ständig, um ihre spezifischen Nahrungsquellen zu suchen.

Nützlinge im Weinberg

Übersicht über die Nützlinge im Weinbau und deren Beutetiere am Rebstock
Nützlinge Beutetiere/Rebschädlinge
Raubmilben (Typhlodromus pyri), Florfliegen, Marienkäfer, Blindwanzen, Blumenwanzen, Kurzflügler, Spinnen, Weberknechte Obstbaumspinnmilbe, Bohnenspinnmilbe, Kräuselmilbe
Raubmilben, Gallmücken Blattgallmilbe
Florfliegenlarven, Schwebfliegenlarven, Ohrwürmer, Gallwespen, Raupenfliegen, Schlupfwespen, Brackwespen, Erzwespen Rhombenspanner, Springwurmwickler, Traubenwicklerlarven
Marienkäfer, Florfliegen, Sichelwanzen, Blumenwanzen, Erzwespen Schild- und Schmierläuse
Blumenwanzen, Blindwanzen, Florfliegen, Spinnen Zikaden
Raupenfliegen, Schlupfwespen, Ohrwürmer, Laufkäfer Erdraupen
Schlupfwespen, Laufkäfer, Spinnen, Weberknechte Dickmaulrüssler

Kurzbeschreibung wichtiger Nützlinge des Weinbaus

Räuber

Spinnentiere

Wie der Systematik des Tierreiches zu entnehmen ist, gehören zur Klasse der Spinnentiere neben den Raubmilben unter anderem auch die Ordnungen der Spinnen und Weberknechte.

Spinnen:

Der Weinberg ist ein Lebensraum für viele Spinnenarten. Die Weibchen sind meist größer als die Männchen. Diese haben verdickte Kiefertaster, die der Samenübertragung dienen. Spinnen haben verschiedene Strategien entwickelt, um Beute zu machen. Laufaktive Spinnen bauen keine Fangnetze. Unter ihnen gibt es sogenannte Lauerjäger, die ihrer Beute auflauern (z.B. Krabbenspinnen), und Spinnen, die Tiere aktiv fangen (z.B. Wolfspinnen, Jagdspinnen). Weiterhin gibt es Arten, die waagerechte oder senkrechte Fangnetze bauen, in denen sich Beutetiere verfangen. Hierzu gehören Radnetzspinnen, Kugelspinnen oder Baldachinspinnen. Die wichtigsten Erkennungsmerkmale von Spinnen sind:

  • zweiteiliger Körper (Kopfbrust u. Hinterleib)
  • 4 Beinpaare
  • 6 - 8 Punktaugen
  • 2 Paar Mundwerkzeuge.

Sie haben weder Flügel noch Fühler.

Weberknechte:

Sie sind meist an ihren dünnen, langen Beinen zu erkennen. Der Körper hat keine auffälligen Einschnürungen, aber einen deutlich gegliederten Hinterleib. Oft lassen die Weberknechte - auch Kanker genannt - bei Gefahr ein Bein abfallen, das noch weiterzuckt, um den Feind abzulenken. Die vielgliedrigen Füße ermöglichen einen besseren Halt auf Pflanzen und Sträuchern, obwohl sich die Tiere besonders in Bodennähe aufhalten. Sie fressen moderndes Pflanzenmaterial sowie tote Insekten, fangen aber auch lebende Insekten.

Spinnen und Weberknechte ernähren sich überwiegend von Gliederfüßern und machen keinen Unterschied zwischen Nützling oder Schädling. Jedoch erfassen sie die Schädlinge mit, Marienkäfer und Florfliegen verfangen sich kaum in den Netzen. Die frei herumlaufenden Tiere erfassen manchen Heu- oder Sauerwurm sowie Springwürmer auf dem Rebstock und manchen Dickmaulrüssler auf dem Boden.

Insekten

Die meisten Arten unter den Nützlingen gehören zur Klasse der Insekten. Im Gegensatz zu den Spinnentieren haben die Insekten in der Regel drei Beinpaare und häufig auch ein Paar Fühler. Erwachsene Tiere besitzen am Brustsegment bei vielen Arten ein bis zwei Paar Flügel. Wichtige Organe am Kopf sind zwei Komplexaugen und je nach Art unterschiedlich funktionierende Mundwerkzeuge (z.B. leckend, kauend-beißend oder saugend).

Florfliegen:

Im Weinberg sind regelmäßig sowohl Eier als auch Larven, Puppen und ausgewachsene Tiere zu finden. Die häufigste Art ist die Gemeine Florfliege. Ausgewachsene Tiere sind grünlich gefärbt, besitzen relativ große, durch Adern benetzte glasige Flügel und auffallend große Komplexaugen. Als Nützling ist in erster Linie die Larve von Bedeutung. Sie saugt an Spinnmilben und deren Eiern und erbeutet andere Schädlinge wie Heu- und Sauerwürmer. Die Larve wird gelegentlich mit der Marienkäferlarve verwechselt.


Marienkäfer:

Der Marienkäfer ist auch im Weinberg ein sehr wertvoller Nützling. Neben dem 7-Punkt-Marienkäfer gibt es noch eine Vielzahl weiterer Arten, wie z.B. den 2-Punkt-, den 10-Punkt- oder den 22-Punkt-Marienkäfer. Auch diese Arten leben teilweise räuberisch von Blattläusen, Milben, Eiern etc. Marienkäfer sind typische Säuberungsräuber.


Laufkäfer und Hundertfüßer:

Diese Nützlinge leben am Boden. Laufkäfer sind wichtige Gegenspieler des Dickmaulrüsslers und von Erdraupen. Sie ernähren sich außerdem von am Boden vorkommenden Würmern und Nacktschnecken, aber auch von Gliederfüßern und deren Jugendstadien. Auch die Hundertfüßer ernähren sich von verschiedenen Insekten.


Wanzen:

Neben pflanzensaugenden Wanzen gibt es eine ganze Reihe von Wanzenarten, die räuberisch leben. Ihre Gefräßigkeit ist zum Teil sehr groß, weshalb die nützlichen Arten eine wichtige Rolle als Gegenspieler verschiedener Rebschädlinge spielen können. Es handelt sich um Arten, die zwischen knapp 1 mm und etwa 12 mm Größe erreichen. Viele erwachsene Wanzen können gut fliegen. Oft handelt es sich um recht farbige Tiere, die sowohl an der Rebe als auch auf dem Boden und der Bodenbegrünung anzutreffen sind. Von Bedeutung sind insbesondere Vertreter der Sichelwanzen, die Blind- oder Weichwanzen sowie die Blumenwanzen. Auch die Wanzen zählen zu den typischen Säuberungsräubern. Sie fressen neben Milben auch die Eier zahlreicher Schädlinge wie Traubenwickler, Springwurmwickler und Rhombenspanner.

Parasitische Nützlinge (Parasitoide)

Erzwespen:

Die Gruppe der Erzwespen entwickelt sich parasitisch und gehört wie die folgende zu den Hautflüglern, zu denen auch die Biene oder die bekannten Wespen zählen. Sie parasitieren in Rebanlagen unter anderem Eier, Larven und Puppen schädlicher Schmetterlingsarten. Vertreter der Gattung Trichogramma haben sich auf Schmetterlingseier spezialisiert und parasitieren zum Beispiel die Eier von Traubenwicklern. Die befallenen Traubenwicklereier sind schwarz und als dunkle Punkte an den Blütenständen bzw. an der Traube gut zu erkennen.

Schlupfwespen:

Auch die Larven der Echten Schlupfwespen und der Brackwespen leben parasitisch unter anderem von Schmetterlingsraupen und -puppen. (siehe auch Brackwespen und Schlupfwespen)

Raupenfliegen:

Raupenfliegen gehören zur Insektenordnung der Fliegen und parasitieren je nach Art verschiedene andere Insekten, unter anderem auch die in Rebanlagen auftretenden Schadschmetterlinge wie Traubenwickler und Springwurmwickler. Parasitierungsraten von bis zu 30% sind in Untersuchungen an Puppen des Springwurmwicklers nachgewiesen worden.

Förderung der Nützlinge

Je größer und vielfältiger das Angebot an pflanzlichem Material für die Primärkonsumenten, d. h. Pflanzen- und Abfallfresser ist, desto vielfältiger ist das Nahrungsangebot für die von den Primärkonsumenten lebenden Sekundärkonsumenten, wozu die Nützlinge gehören. In kahl gehaltenen Weinbergen ohne jeglichen Bodenbewuchs sind daher die Lebensbedingungen für viele Nützlinge relativ schlecht. Um möglichst viele Nützlingsarten in einem Weinberg anzusiedeln und langfristig zu halten, sollten im unmittelbaren Umfeld unterschiedlich strukturierte Biotope (= Lebensräume) wie Gehölzzonen, Raine, Trockenmauern oder Grünflächen mit zahlreichen Pflanzenarten angelegt und erhalten werden. Auch innerhalb der Weinberge können beispielsweise alternierende Bodenbegrünungen mit vielfältiger Kräuter- und Gräserstruktur zur Artenvielfalt beitragen und die Ansiedlung von Nützlingen in den Rebflächen zu fördern.

Die Ernährungsweise der Larvenstadien und der Adulten eines Nützlings können unterschiedlich sein. So sind die Larven der Erz- und Schlupfwespen, der Schweb- und Raupenfliegen, der Florfliegen usw. Fleischfresser (leben unter anderem von Schädlingen oder Indifferenten), während sich die adulten Tiere von Nektar, Pollen und Honigtau ernähren, also Blütenbesucher sind und dabei manche Blüte bestäuben. Auch daraus wird ersichtlich, dass man für einen reichhaltigen Nützlingsbesatz im Weinberg Futter- und Nektarpflanzen benötigt, die darüber hinaus auch Unterschlupf bieten.

In den Weinbergen können viele andere Organismen geduldet werden, die den Traubenertrag nicht beeinträchtigen. Dies gilt zunächst für die Pflanzen, die als Beikraut, Gründüngung oder Dauerbegrünung einen kontrollierten Bewuchs bilden. Blühende Pflanzen (Kräuter und Gräser) sind im Weinberg für die hier angeführten Nützlingsgruppen lebensnotwendig. Pflanzen mit großen Blüten, wie z.B. der Löwenzahn, locken zudem Nützlinge an. Aus den geschilderten Zusammenhängen wird auch die Bedeutung kleiner nicht bewirtschafteter Flächen (Raine, Trockenmauern, Felsen usw.) in unmittelbarer Nähe des Weinbergs ersichtlich. Zur Vervollständigung sei angemerkt, dass auch Wirbeltiere Schädlinge vertilgen können. Genannt seien hier stellvertretend für viele andere: Igel, Spitzmäuse, Fledermäuse, Meisen, Fliegenschnäpper und andere Vogelarten, sowie Eidechsen, Blindschleichen und Kröten.

Weiterführende Links

Einzelnachweise


Literaturverzeichnis

B. Altmayer, J. Eichhorn, B. Fader, A. Kortekamp, R. Ipach, U. Ipach, H.-P. Lipps, K.-J. Schirra, B. Ziegler (2013): Sachkunde im Pflanzenschutz (Weinbau). 8. überarbeitete Auflage. Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, Abteilung Phytomedizin. Neustadt an der Weinstraße.