Gemeiner Ohrwurm im Weinbau

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Gemeiner Ohrwurm
Forficula auricularia
Ohrwurm red.jpg
Systematik
Klasse Insekten
Insecta
Unterklasse Fluginsekten
Pterygota
Überordnung Neuflügler
Neoptera
Ordnung Ohrwürmer
Dermaptera
Familie Eigentliche Ohrwürmer
Forficulidae

Der Ohrwurm (Forficula auricularia) ist in den letzten Jahren in einigen deutschen Weinanbaugebieten in die Kritik geraten. Das eigentlich als Nützling angesehene nachtaktive Insekt kommt lagenweise in derart hohen Individuenzahlen in Weinbergen vor, dass Schäden an Reben, Trauben und letztendlich auch dem Lesegut verzeichnet werden. Negative Auswirkungen auf die Weinqualität sind die logische Konsequenz und ebenfalls belegt.
Aufgrund dieser Problematik wurde von Mai 2007 bis April 2010 am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum in Neustadt/Weinstraße ein vom Forschungsring des Deutschen Weinbaus gefördertes Projekt durchgeführt, das sich ausschließlich mit dem Ohrwurm beschäftigte. Vorrangiges Ziel der Arbeit war, die Lebensweise des Ohrwurms in Weinbergen aufzuklären, seine Populationen zu kontrollieren und auf ein für die Praxis akzeptables Niveau zu reduzieren.
Wichtige Ergebnisse und Erkenntnisse des Forschungsprojektes werden im folgenden vorgestellt.

Der Ohrwurm als Nützling

Der Gemeine Ohrwurm Forficula auricularia gehört zu den bekanntesten Insekten und ist weltweit verbreitet. Im deutschen Weinbau wird die Art ursprünglich als nützlich beschrieben. Sie ist ein natürlicher Gegenspieler von verschiedenen Schadschmetterlingen wie zum Beispiel dem Bekreuzten Traubenwickler Lobesia botrana und dem Einbindigen Traubenwickler Eupoecilia ambiguella. In Untersuchungen am DLR Rheinpfalz in Neustadt/Weinstraße wurde sein nützlicher Effekt auch gegen den Springwurmwickler Sparganothis pilleriana nachgewiesen, einem in deutschen Anbaugebieten verbreiteten Gelegenheitsschädling. Die Ohrwürmer greifen im Spätsommer die Puppenstadien des Schädlings an und fressen diese aus. Die Auswertung von Untersuchungen an der Südlichen Weinstraße Mitte der 1990er Jahre ergab, dass bis zu 25 Prozent der Puppen des Springwurmwicklers durch den Ohrwurm dezimiert wurden.

Auffallender Populationsanstieg in manchen Regionen

Probleme mit dem Ohrwurm treten etwa seit 2005 auf und wurden erstmals in pfälzischen Weinbergen beobachtet, aber auch in anderen Weinbauregionen Deutschlands wie in Rheinhessen und Baden-Württemberg. Seine Einstufung als Nützling wird seitdem kritisch betrachtet, da extreme Massenansammlungen vor allem in den Trauben mancher Lagen und Rebflächen in der Praxis als sehr störend empfunden werden. Ohrwürmer halten sich darüber hinaus gesellig vor allem in Ritzen von Rebstämmen und Rebpfählen auf, aber auch zwischen übereinander liegenden Blättern und unmittelbar in den Blütenständen.
Die Ursachen für die Massenvermehrungen in Rebflächen konnten bisher nicht eindeutig ermittelt werden. Möglicherweise spielen die klimatischen Veränderungen der letzten Jahre eine Rolle. Hierfür spricht, dass die Art nicht nur in Rebflächen, sondern auch in Hausgärten und an anderen Orten in hoher Individuenzahl vorkommen kann. Die südlichen und südwestlichen Regionen Deutschlands scheinen besonders betroffen zu sein. Auch reduzierte Insektizidapplikationen und der vermehrte Einsatz von selektiven Wirkstoffen gegen tierische Rebschädlinge werden als Grund für die Zunahme des Ohrwurms diskutiert.

Schäden durch den Ohrwurm

Der Gemeine Ohrwurm in Rebanlagen - Nützling und Schädling zugleich

Aufgrund von eingehenden Untersuchungen am gesamten Rebstock und im analytischen Labor lassen sich die durch den Ohrwurm verursachten Schäden in zwei Kategorien unterteilen: Zu den Primärschäden zählen das An- und Ausfressen von faulen und vorgeschädigten Beeren. Ein großes Problem sind starke Kotablagerungen im Stielgerüst und zwischen den Beeren. Bei feuchtem Klima verpilzen die Ausscheidungen. Krankheitserreger wie pilzliche Pathogene bauen sich auf und werden unter anderem von den sehr aktiven Ohrwürmern auf gesunde Trauben und Beeren übertragen. Das in Stresssituationen aus der Abdominaldrüse des Ohrwurms ausgestoßene und auch im Kot vorhandene Abwehrsekret 2-Methyl-1,4-Benzochinon und dessen Abbauprodukte gelangen in den Most und können sich negativ auf die Weinqualität auswirken: Die Substanz hat einen rauchigen Geschmack und schmeckt nach Desinfektionsmittel. Sekundär können die hohen Individuendichten des Ohrwurms am gesamten Rebstock die Pflege- und Erntemaßnahmen behindern. Diese Schäden führen beim Erzeuger zu einer Qualitätsminderung des Weines. Durch die maschinelle Traubenlese können enorme Mengen von Ohrwürmern ins Lesegut geraten und einen negativen Qualitätseindruck bei Winzern und Touristen hinterlassen.

Methoden zur Erfassung

In Freilanduntersuchungen wurden verschiedene Fangsysteme getestet, um Ohrwürmer in Weinbergen zu erfassen:

  • Tontöpfe gefüllt mit Stroh
  • Wellpapperöhren gefüllt mit Holzwolle
  • Eierkartons gefüllt mit Holzwolle
  • Bündel aus drei hohlen Bambusröhren.

Die Bambusröhren zeigten im Vergleich zu den anderen Fallensystemen die höchste Fangeffektivität und wurden für den größten Teil der Untersuchungen am Rebstock als Fangeinheit verwendet. Jede Bambusfalle besteht aus einem Bündel von drei mit Draht verbundenen und etwa 20 cm langen Bambusröhren, die jeweils einen Innendurchmesser von durchschnittlich 1 cm haben. Jedes Bündel wird senkrecht am Rebstamm montiert, wobei die unteren Seiten der Röhren offen sind. Der Hohlraum der Röhren ist so vor Lichteinfall und Regen geschützt und kann von den Tieren als optimales Tagesversteck genutzt werden. Die sehr lebhaften Ohrwürmer können während der Fallenauswertung nicht entkommen, da die aus den Röhren entweichenden Tiere unmittelbar in den darunter gehaltenen Fangbeutel fallen.
Am Boden aktive Ohrwürmer wurden mit speziellen Bodenfallen nach Barber erfasst. Hierbei handelt es sich um Fanggläser, die ebenerdig in den Boden eingegraben und mit einem Regenschutz abgedeckt werden.
Über den gesamten Versuchszeitraum 2007 bis 2010 wurden in den entsprechenden Versuchsflächen regelmäßig 100 Boden- und 100 Bambusfallen eingesetzt, um die relative Individuenhäufigkeit zu erfassen. Jedes Fangintervall betrug in der Regel sieben Tage. Die Fallen wurden in vierzehntägigem Rhythmus installiert. Die aufgenommenen Ohrwürmer wurden im Labor durch Einfrieren abgetötet, auf Artniveau bestimmt, das Geschlechterverhältnis ermittelt sowie nach Larven und erwachsenen Ohrwürmern sortiert.

Entwicklungszyklus des Ohrwurms

Entwicklungszyklus des Gemeinen Ohrwurms

Im Projektverlauf konnte auf der Grundlage des Dauermonitorings und der Nestkartierungen der vollständige Entwicklungszyklus von Forficula auricularia in pfälzischen Rebanlagen beschrieben werden. Phänologisch folgt auf eine im Oberboden verlaufende Überwinterungs- und Entwicklungsphase eine im Laubwandbereich ablaufende Aktivitäts- und Fortpflanzungsphase.

Aktivitäts- und Fortpflanzungsphase

Anhand der Untersuchungsergebnisse lässt sich folgender Ablauf der Aktivitäts- und Fortpflanzungsphase beschreiben. Von Anfang Juni bis Mitte September hält sich Forficula auricularia überwiegend in verschiedenen Tagesrefugien der Rebstöcke auf: im Traubeninneren, auf lichtgeschützten Rebblattunterseiten, in Lückensystemen zwischen Erziehungseinrichtung und Rebstock, in Ruheplätzen zwischen zusammenstoßenden Rebtrieben, in Innenwinkeln von Metall- und Holzstickeln und in Engstellen zwischen Rebblättern und Metall- oder Holzstickeln. Der Zeitpunkt der Aufwanderung hängt von den Lufttemperaturen im April und Mai ab, weil diese den Beginn der Rebblüte steuern. Die Pollen der Rebblüte sind offensichtlich die erste attraktive Nahrungsressource, welche Forficula auricularia in der Laubwand des Rebstockes vorfindet. In der folgenden Tabelle wird deutlich, dass die Lufttemperaturen im April den Rebblütebeginn und damit die Aufwanderung der Ohrwürmer vom Boden in die Laubwand maßgeblich bestimmen.

durchschnittliche Lufttemperatur im April maximale Lufttemperatur im April durchschnittliche Lufttemperatur im Mai maximale Lufttemperatur im Mai Rebblütebeginn der Sorte Riesling Aufwanderung Forficula auricularia
2007 14,9 °C 29,9 °C 16,8 °C 24,5 °C 23.05.07 22.05.07
2008 9,7 °C 22,1 °C 18,2 °C 24,9 °C 04.06.08 02.06.08
2009 14,3 °C 17,7 °C 16,8 °C 24,8 °C 01.06.09 28.05.09

2007 setzte die Rebblüte am 23. Mai sehr früh ein, weil sich in diesem Jahr der April durch eine hoch Durchschnittstemperatur von 14,9 °C und eine Maximaltemperatur von 29,9 °C auszeichnete. Im April 2008 wurden eine durchschnittliche Lufttemperatur von 9,7 °C und eine Maximaltemperatur von 22,1 °C ermittelt. Beide Temperaturwerte waren damit deutlich geringer als die von 2007, so dass die Blüte 2008 gegenüber 2007 zwölf Tage später am 4. Juni begann. Obwohl im April 2009 die durchschnittliche Lufttemperatur mit 14,3 °C nur geringfügig unter der von 2007 lag, wurde 2009 mit 17,7 °C eine deutlich geringere Maximaltemperatur im Vergleich zu 2007 gemessen. Aufgrund der für April hohen Durchschnittstemperatur von 14,3 °C setzte 2009 die Rebblüte im Vergleich zu 2008 drei Tage früher am 1. Juni ein. In allen drei Versuchsjahren waren die durchschnittlichen Lufttemperaturen im Mai mit 16,8 °C (2007, 2009) und 18,2 °C (2008) ebenfalls sommerlich warm. Die Maximaltemperaturen nahmen mit 24,5 °C (2007), 24,9 °C (2008) und 24,8 °C (2009) in den drei Jahren annähernd gleiche Werte an. Unmittelbar ein (2007) bis zwei Tage (2008, 2009) vor Blütebeginn begann die Aufwanderung der Ohrwürmer vom Boden in den Rebstock. Dabei wurde beobachtet, dass die Tiere die Blütenstände intensiv nach Pollen absuchten. Nach dem vollständigen Aufblühen aller Einzelblüten eines Blütenstandes nahm die Aufwanderung innerhalb eines Tages stark zu. Keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der Aufwanderung haben die Rebsorte, die Flächenbegrünung mit der Bodenbewirtschaftung und die Bodenart. In der Laubwand erfolgt die Häutung zum adulten Insekt, die in der Regel bis Ende Juni abgeschlossen ist. Anfang August bis etwa Mitte September dauert die Paarungsphase. Das Geschlechterverhältnis von Forficula auricularia betrug in den Versuchsanlagen durchschnittlich 1:1,5, d.h. zwei Männchen zu drei Weibchen. Dieses Verhältnis wurde aus den in der folgenden Tabelle aufgeführten 13 Geschlechterverteilungen berechnet, die 2007 in der Laubwand von fünf Weißweinsorten und acht Rotweinsorten ermittelt wurden. Bei den Weißweinreben betrug das Verhältnis von Männchen zu Weibchen zweimal 1:1,3 (Helios, Viognier), einmal 1:1,4 (Goldmuskateller), einmal 1:1,7 (Cabernet Blanc) sowie einmal 1:1,8 (Riesling). In der Laubwand der Rotweinsorten ergab sich eine Männchen-Weibchen-Verteilung von einmal 1:1,3 (Tempranillo), dreimal 1:1,4 (Pinotin, Reberger, Spätburgunder), zweimal 1:1,5 (Rubinet, Lagrein), einmal 1:1,7 (VB 91-26-5) und einmal 1:2,3 (Rosenmuskateller).

Rebsorte Anzahl Weibchen
Jahresmittel 2007
Anzahl Männchen
Jahresmittel 2007
Geschlechterverhältnis
Männchen : Weibchen
Weißweinsorten:
Riesling 35 20 1 : 1,8
Helios 34 26 1 : 1,3
Cabernet Blanc 24 14 1 : 1,7
Viognier 40 32 1 : 1,3
Goldmuskateller 34 25 1 : 1,4
Rotweinsorten:
Pinotin 46 33 1 : 1,4
VB 91-26-5 34 20 1 : 1,7
Reberger 56 39 1 : 1,4
Rubinet 34 22 1 : 1,5
Lagrein 32 22 1 : 1,5
Tempranillo 46 35 1 : 1,3
Spätburgunder 42 31 1 : 1,4
Rosenmuskateller 23 10 1 : 2,3
Mittelwert 1 : 1,5

Überwinterungs- und Entwicklungsphase

Die Überwinterungs- und die Entwicklungsphase von Forficula auricularia laufen bis ins dritte Larvenstadium (L3) unterirdisch im Oberboden der Rebanlagen ab. Etwa ab Mitte September wandern die Ohrwürmer in die oberflächennahen Bodenschichten ab. Wie eine Laborzucht und Halbfreilandversuche gezeigt haben, beginnen die Weibchen bereits im Oktober mit dem Nestbau. Das Nest wird ausschließlich vom Weibchen gebaut und kann vielfältige Formen annehmen, wie zum Beispiel eine einfache Röhre oder Kammer. In der Rebanlage werden Wurzeln von Begrünungspflanzen, wie zum Beispiel die Pfahlwurzeln der Ackerwinde und des Löwenzahns in den Nestbau integriert. Im Freiland betrug die durchschnittliche Nesttiefe 4 bis 7 cm. Selten wurden Nesttiefen von 20 cm ermittelt. Die Eiablage mit bis zu 60 Eiern pro Weibchen erfolgte unter Labor- und Freilandbedingungen synchron Mitte November. Das Weibchen überwintert im Nest und betreibt dabei eine aktive Brutpflege. Die Eier werden vom Weibchen regelmäßig mit den Mundwerkzeugen gedreht und durch Belecken gereinigt. Beschädigte Eier werden aufgefressen. Wurde das Weibchen aus dem Zuchtbehälter entfernt, verpilzten die Eier etwa nach zwölf Stunden und starben ab. Etwa ab Mitte April schlüpfen die L1-Larven. Je nach der Bodentemperatur häuten sie sich nach cirka zwei Wochen zu L2-Larven. Das Weibchen pflegt das gesamte L1-Stadium und das L2-Stadium über die ersten Tage. Im Labor wurde beobachtet, dass bei der Larvenpflege die Bereitstellung von Futter bis ins zweite Larvenstadium als neue Verhaltensweise des Weibchens hinzukommt. Anfang Mai häuten sich die L2-Larven zu L3-Larven, die anschließend das Nest verlassen und eigenständig Nahrung suchen und aufnehmen.
Als L4-Larven wandern die Tiere Ende Mai oder Anfang Juni in die Laubwand des Rebstockes auf. Die meisten Männchen sterben während der Winter- und Frühjahrsmonate. In der Laborzucht hat sich gezeigt, dass die Männchen bereits vor der Eiablage vom Weibchen durch frontale Stöße oder seitliche Attacken mit den Zangen vom Nest vertrieben werden. Der Gemeine Ohrwurm durchläuft eine hemimetabole Entwicklung ohne Puppenstadium. Die Larvalentwicklung ist stark temperaturabhängig und dauert im Labor bei 18 °C cirka 60 Tage. In pfälzischen Rebanlagen entwickelt die Art eine Generation pro Jahr.

Befallsdichten

Durch die dauerhafte Erfassung der Ohrwurmbefallsdichten von Mai bis September in den Versuchsjahren 2007 bis 2009 wurde festgestellt, dass die Befallsdichten nicht jedes Jahr gleich stark sind, sondern Schwankungen unterliegen. Diese können unter anderem mit den Niederschlagsmengen im August und September zusammenhängen. Das Jahr 2008 war im Vergleich zu den Jahren 2007 und 2009 im August und September sehr regnerisch, so dass sich die Ohrwürmer vom durchnässten Laubwandbereich in die trockeneren unteren Schichten des Oberbodens zurückgezogen haben. Während der Regenphase wurden sehr wenige Ohrwürmer im Rebstock erfasst, entsprechend war der durchschnittliche Ohrwurmbefall pro Jahr in der jeweiligen Rebsorte deutlich geringer. Die innerartliche Konkurrenz (Wettbewerb zwischen Individuen der gleichen Art) kommt als ein weiterer Faktor für die jährlichen Populationsschwankungen in Frage, ist jedoch über einen relativ kurzen Zeitraum von drei Untersuchungsjahren nicht eindeutig nachzuweisen.

Einflussfaktoren

Vegetationsdeckung und Bewirtschaftungsintensität

Die Untersuchungen in den Jahren 2007 und 2008 haben gezeigt, dass die Bewirtschaftungsintensität und die daraus resultierende Vegetationsdeckung beziehungsweise Begrünungsform die Befallsdichten im Boden und an der Laubwand unmittelbar beeinflussten. Die Nestkartierung ergab, dass in den begrünten Weinbergsbereichabschnitten signifikant mehr überwinternde Ohrwürmer und mehr Nester als in den unbegrünten Abschnitten gefunden wurden. Ein entscheidender Grund für die höhere Individuenanzahl in den begrünten Rebgassen ist die hier fehlende Oberbodenbearbeitung: Die begrünten Abschnitte bieten weitgehend störungsfreie Überwinterungshabitate. Eine wichtige Voraussetzung für den Nestbau sind im Boden vorhandene Strukturen wie Wurzeln und Steine. 78 Prozent aller Ohrwurm-Nester wurden unmittelbar an oder zwischen den Wurzeln von Begrünungspflanzen und Rebstöcken gefunden. Insbesondere die Pfahlwurzeln des deckungsstarken Gemeinen Löwenzahns bieten den Ohrwurmweibchen hervorragende Bedingungen für den Nestbau. Hier wurden auch die meisten Nester gefunden. In den unbegrünten Rebgassen führten die fehlende Bodendurchwurzelung und die regelmäßige Oberbodenbearbeitung dazu, dass die Ohrwürmer diese Bereiche als Überwinterungs- und Bruthabitat weitgehend mieden. Die Nesttiefe nahm mit zunehmender Intensität der oberflächlichen Bodenbearbeitung zu.
In den dauerbegrünten und damit im Oberboden ungestörten Bereichen lag die Nesttiefe bei durchschnittlich 4 cm. In den unbegrünten Abschnitten, in denen mehrmals im Jahr eine Oberbodenbearbeitung durchgeführt wurde, lag die durchschnittliche Nesttiefe bei 7 cm. Offensichtlich wurden die Weibchen in den unbegrünten Gassen der Rebanlage nach einer Bewirtschaftung im Oberboden gestört und legten ihre Nester in tieferen Bodenschichten an. Tendenziell war die Größe der Eigelege in unbegrünten Abschnitten kleiner als in begrünten Bereichen, was möglicherweise auf die störende Oberbodenbearbeitung zurückzuführen war. Vergleichbare Ergebnisse wurden im Dauermonitoring ermittelt. Hier waren in allen vollständig und alternierend begrünten Versuchsflächen die Befallsdichten im Boden und Laubwandbereich in beiden Versuchsjahren deutlich höher als in den unbegrünten Anlagen. Selbst sehr kleinflächig durchgeführte Bodenpflegemaßnahmen innerhalb einer Rebanlage wirkten sich auf die Befallsdichten aus. In dem 2008 angelegten Bodenpflegeversuch in einer Riesling-Anlage waren die Befallsdichten in den vollständig begrünten Bereichen signifikant höher als in den unbegrünten. Die Befallsdichte an Rebstöcken in einem Teil der begrünten Abschnitte, der am 30. Juni mit einer Kreiselegge bearbeitet wurde, war im Vergleich zum nicht bearbeiteten Teil tendenziell reduziert. Dieser Individuenrückgang war vermutlich auf die vorhergehende Begrünungsstörung zurückzuführen, da die Ohrwürmer bis Mitte Juli vom Boden- in den Laubwandbereich aufwanderten. Ob ein Großteil der Ohrwürmer durch den mechanischen Eingriff in den Oberboden abgetötet wurde oder während der Bearbeitungsphase in ungestörte Bereiche abwanderte, konnte nicht nachgewiesen werden.

Bodenart

Um zu überprüfen, ob die Bodenart die Entwicklungsphase des Gemeinen Ohrwurms beeinflusst, wurden Freiland- und Laborversuche durchgeführt. Im Dauermonitoring 2007 wurden in Rebanlagen auf Sandböden signifikant weniger Individuen erfasst als in Anlagen auf Lehmböden. Zuchtversuche im Labor ergaben, dass die Weibchen in lockerkörnigem Sandboden keine Brutröhren anlegen konnten und keine Eier ablegten. In den Zuchtbehältern mit grobscholligem Lehmboden bauten alle beobachteten Weibchen Brutröhren und legten bis zu 40 Eier pro Nest und Weibchen ab. Um diese Erkenntnisse im Freiland zu überprüfen, wurden 2008 in zwei Riesling-Ertragsanlagen mit unterschiedlichen Bodenarten von Juni bis September entsprechende Untersuchungen durchgeführt.
Bewirtschaftung, Makroklima sowie alternierende Begrünung der Rebgassen waren in beiden Versuchsanlagen annähernd gleich. Im Laubwandbereich wurden im gesamten Versuchszeitraum trotz erheblicher Schwankungen der Individuenzahlen deutlich mehr Ohrwürmer in der Anlage mit Lehmboden erfasst. Der Mittelwertvergleich über den gesamten Versuchszeitraum ergab, dass der Rebstockbefall auf Lehmboden signifikant höher war als in der Anlage auf Sandboden (Student-t-Test: α = 0.05). Sowohl in Freiland- als auch in Laborzuchtversuchen konnte somit nachgewiesen werden, dass die Bodenart großen Einfluss auf die Entwicklungsphase von Forficula auricularia hat.

Lufttemperatur

Die Dauermonitoring-Versuche 2007 und 2008 in einer Riesling-Anlage ergaben, dass der Aufwanderungszeitpunkt der L4-Larven vom Boden in den Laubwandbereich von den Temperaturen in den Monaten April und Mai abhängig war. Höhere Frühjahrstemperaturen führten zu einer verkürzten Entwicklungsdauer, wodurch die L4-Larven früher vom Nest auf die Bodenoberfläche wanderten. Durch die temperaturbedingt früher einsetzende Rebblüte mit dem vorhandenen Blütenpollen wanderten die L4-Larven von der Bodenoberfläche ebenfalls eher in den Laubwandbereich ein. 2007 erreichten die Lufttemperaturen in der Versuchsfläche im April mit einem Monatsmittel von 14°C und Maximaltageswerten bis 30°C teilweise hochsommerliche Werte. Diese Tendenz setzte sich im Mai 2007 mit einem Monatsmittel von 17°C und Maximaltageswerten bis 32°C fort. Die Riesling-Blüte begann bereits am 23. Mai. Die ersten L4-Larven wurden schon einen Tag zuvor in den Blütenständen und auf angrenzenden Rebblättern beobachtet. 2008 war der April wesentlich kühler. Das Monatsmittel betrug 10°C, tagsüber wurden maximal 22°C erreicht. Die Temperaturen im Mai 2008 waren vergleichbar mit den Maitemperaturen 2007. Aufgrund des nur mäßig warmen Aprils setzte die Riesling-Blüte 11 Tage später als 2007 am 4. Juni ein. Die ersten L4-Larven wurden analog erst am 2. Juni im Blütebereich des Rebstockes erfasst. Durch die niedrigen Apriltemperaturen verlängerte sich auch die Larvalentwicklung, die ersten L3- und L4-Larven wurden erst am 26. Mai auf der Bodenoberfläche beobachtet.

Traubenmorphologie und -gesundheit

Am 12.09.2007, zwei Wochen vor der Lese, wurde der Ohrwurmbefall an 432 Riesling-Trauben aus drei verschiedenen Höhenzonen der Traubenzone bestimmt. Die morphologischen Eigenschaften aller untersuchten Trauben sowie die Anzahl an Ohrwürmern pro Traube wurden erfasst. Anhand der Untersuchungen sollte überprüft werden, ob ein Zusammenhang zwischen der Ohrwurmdichte in der Traube und morphologischen Traubeneigenschaften sowie der Traubengesundheit besteht. Eine Redundanzanalyse ergab, dass die Locker- und Dichtbeerigkeit, das Traubengewicht, in die Trauben eingewachsene Rebblätter und ein Fäulnisanteil von über 50% einen signifikanten Einfluss (α = 0.05) auf die Ohrwurmdichten in den Trauben hatten. Lockerbeerige Trauben mit geringem Gewicht waren im Vergleich zu dichtbeerigen, kompakten Trauben mit hohem Gewicht nicht oder nur von einzelnen Individuen befallen. Grund hierfür war, dass in den lockerbeerigen Trauben weniger enge und lichtgeschützte Refugien vorhanden waren als in den kompakten Trauben. Außerdem befanden sich lockerbeerige Trauben überwiegend in der Zone unter dem Biegdraht, freihängend und von wenig Reblaub und eingewachsenen Strukturen umgeben. Die in der unmittelbaren Umgebung von freihängenden Trauben deutlich geringere Zahl an Tagesverstecken verringerte die Befallsdichten. Mit zunehmender Dichtbeerigkeit und zunehmenden Traubengewicht erhöhte sich der Befall deutlich. Große dichtbeerige Trauben boten den Ohrwürmern engere und lichtgeschütztere Tagesrefugien als lockerbeerige. Kompakte Trauben befanden sich vorwiegend in den dichter beblätterten Höhenzonen der Traubenzone (Zone Biegdraht bis Rankdraht 1) und wiesen häufig eingewachsene Rebblätter auf. Dadurch verbesserten sich die räumlichen und klimatischen Habitatansprüche wesentlich gegenüber den tiefer hängenden, lockerbeerigen Trauben. Zusätzlich zu den morphologischen Traubenparametern wurde für alle ausgewerteten Trauben der prozentuale Fäulnisanteil (1 bis 20%, 21 bis 50%, 51 bis 100%) und Trockenbeerenanteil (1 bis 20%, 21 bis 50%, 51 bis 100%) bestimmt. Vorhergehende Untersuchungen hatten gezeigt, dass beispielsweise Fäulniserreger wie der Grauschimmel Botrytis cinerea und das Beerenfleisch leicht eingetrockneter Beeren zum Nahrungsspektrum der Ohrwürmer zählen und folglich diese Trauben oft mehr Individuen aufwiesen als gesunde. Die Ergebnisse der Redudanzanalyse ergaben, dass ein Fäulnisanteil von 51 bis 100% einen signifikanten Einfluss (α = 0.05) auf die Ohrwurmdichten in Trauben hatte. Trauben mit hohen Fäulnisanteilen sind einerseits nicht nur als Nahrungsquelle für Forficula auricularia attraktiv und bieten andererseits durch ihre Kompaktheit und Lage in der Traubenzone viele Raumressourcen.

Stock- und Traubenbefall im Überblick

In den Dauermonitoring-Flächen wurden 2007 und 2008 von Ende Mai bis Mitte Oktober insgesamt 86 000 Individuen im Boden- und Laubwandbereich erfasst. 2007 wurden in 6 Dauermonitoring-Anlagen 42 000 Individuen gezählt, 2008 wurden in 11 Dauermonitoring-Flächen 44 000 Individuen ausgewertet. Trotz der deutlich größeren Zahl an Versuchsflächen wurden 2008 nicht wesentlich mehr Ohrwürmer erfasst als 2007. Grund hierfür war der von 2007 auf 2008 zum Teil starke Rückgang der Befallsdichten in vielen Lagen im Raum Neustadt an der Weinstraße. Die Ursachen für diesen zum Teil signifikanten (α = 0.05) Individuenrückgang im Jahr 2008 sind nach dem derzeitigen Stand der Datenauswertungen nicht eindeutig geklärt. Tendenziell wirkte sich das im Vergleich zu 2007 sehr wechselhafte Sommerklima auf die Intensität des Stockbefalls aus. Vor allem die Monate Juni, Juli und August 2008 waren von längeren Kälte- und Regenphasen geprägt, wodurch die Ohrwürmer vom Rebstock zurück in die trockeneren und wärmeren Bodenschichten abwanderten. Demzufolge lagen die Befallsdichten in den Rebstöcken vieler Anlagen unter denen von 2007. Ein weiterer möglicher Grund, der sich jedoch durch das Fehlen von Langzeitdaten nicht belegen lässt, ist ein Befallsrückgang durch das Erreichen einer Überpopulation. Das durch Übervölkerung verursachte Nahrungs- und Raumdefizit führt zu einer Populationsregulation mit Individuenrückgang.
Am 29.08.08 wurde an jeweils 40 Regent- und Riesling-Trauben der Ohrwurmbesatz ermittelt. Die Trauben jeder Sorte waren vergleichbar kompakt und etwa gleich groß. Sie wurden im Kopfbereich des jeweiligen Rebstockes entnommen. Beide Rebanlagen waren alternierend begrünt und standen auf Lehmboden. Vor der Entnahme der Traubenproben wurde ein hoher Ohrwurmbefall in den Versuchsanlagen festgestellt. In den Riesling-Trauben lag der durchschnittliche Befall pro Traube bei 7 Ohrwürmern. Befallsdichten von 9 bis 33 Ohrwürmern fanden sich in jeweils einer Traube. In 11 von 40 Trauben wurden keine Ohrwürmer gefunden, obwohl sie die gleiche Morphologie wie die befallenen aufwiesen. Die mittlere Befallsdichte der Regent-Trauben lag bei 6 Ohrwürmern pro Traube. In einzelnen Trauben wurden 11 bis 21 Ohrwürmer gefunden. In 8 von 40 Trauben wurde kein Befall festgestellt.

Befallsregulation

2008 lag ein Untersuchungsschwerpunkt in Freilandversuchen darin, die Befallsdichten von Forficula auricularia im Boden- und Laubwandbereich zu regulieren. Überprüft wurde die Wirkung von ausgewählten Pflanzenschutzmitteln, Repellentsubstanzen und Eingriffen in die Habitatstruktur. Der Einsatz der jeweiligen Regulationsmaßnahmen richtete sich nach den Entwicklungsstadien und den jahreszeitlich bedingten Lebensräumen des Ohrwurms. Das Insektizid SpinTor (0,01%) (Wirkstoff Spinosad) erzielte durch seine hohe und anhaltende Wirkung vielversprechende Bekämpfungserfolge für die weinbauliche Praxis. Neben der guten, aber nur sehr kurzen Wirkung des Insektizids Confidor WG 70 zeigten alle weiteren durchgeführten Maßnahmen zur Befallsregulation im Boden- und Laubwandbereich minimale bis keine reduzierende Wirkung auf Forficula auricularia und sind deshalb als Bekämpfungsmaßnahmen für den Weinbau nur bedingt oder nicht geeignet. SpinTor wurde für die Versuche ausgewählt, weil es bereits im deutschen Tafel- und Keltertraubenanbau zur Bekämpfung des Rhombenspanners, des Springwurmwicklers und des Einbindigen und Bekreuzten Traubenwicklers zugelassen ist.

Versuchsdurchführung

Der Wirkstoff Spinosad (Spinosyn A und D) wird über Fraß sowie Körperkontakt aufgenommen. Einige Stunden nach der Behandlung treten neuronale Schädigungen auf, die zu einer vollständigen, irreversiblen Lähmung des Schädlings führen. Es werden sowohl die Adult- als auch Larvenstadien bekämpft. Mit dem ersten Insektizidversuch sollte untersucht werden, wie viele Applikationen notwendig sind, um die Befallsdichten während der Reifezeit und insbesondere wenige Tage vor der Traubenlese auf ein für die Praxis akzeptables Maß zu senken. Als Versuchsfläche diente eine 18 Jahre alte Riesling-Ertragsanlage in Deidesheim, die in Kontroll- und Insektizidparzelle geteilt wurde. Die Fallentransekte wurden zentral in den Parzellen angelegt. Pro Stickellänge wurde im Laubwandbereich eine Bambusfalle montiert. Die Applikation erfolgte am frühen Morgen (3 bis 6 Uhr). Nachtbeobachtungen im Jahr 2007 hatten ergeben, dass die dämmerungs- und nachtaktiven Ohrwürmer vor allem zwischen 22 bis 5 Uhr außerhalb ihrer Verstecke in der Laubwand aktiv waren. Mit einer ersten Applikation Mitte Juni sollten die aufwandernden L4-Larven dezimiert werden. Da jedoch die Aufwanderung aus dem Boden- in den Laubwandbereich bis Anfang Juli kontinuierlich anhielt, wurde Anfang August eine zweite Applikation gegen die adulten Ohrwürmer durchgeführt.

Ergebnisse

Eine Woche (20. bis 27.06.) nach der ersten SpinTor-Applikation wurde der Befall im Laubwandbereich gegenüber der Kontrolle um 75% reduziert. Drei Wochen nach der ersten Applikation (04. bis 11.07.) nahm der Wirkungsgrad des Insektizids aufgrund der stark anhaltenden Individuenzuwanderung aus dem Bodenbereich deutlich ab, so dass zwischen den Individuenzahlen der SpinTor- und Kontrollparzelle keine signifikanten Unterschiede mehr auftraten. Fünf Wochen nach Versuchsbeginn (18. bis 25.07.) fielen die Individuenzahlen in den Kontroll- und Insektizidparzellen und damit verbunden der Wirkungsgrad weiter stark ab. Grund hierfür waren die in Deidesheim für Ende Juli außergewöhnlich kalten Sommertemperaturen, durch die eine starke Abwanderung der Ohrwürmer von der Laubwand zurück in den Boden erfolgte. Aufgrund der bis Mitte Juli stark anhaltenden Individuenaufwanderung vom Boden- in den Laubwandbereich wurde am 07.08.08 eine zweite SpinTor-Applikation durchgeführt. Hiermit sollte die Befallsdichte in der Traubenzone vor der Lese nochmals reduziert werden. Eine Woche nach der zweiten Applikation (08. bis 15.08.) verringerten sich mit einem Wirkungsgrad von 79% die Befallsdichten in der SpinTor-Parzelle gegenüber der Kontrolle signifikant. Der Wirkungsgrad blieb mit etwa 50% (19. bis 25.09.) unmittelbar vor der Lese auf vergleichsweise hohem Niveau.
Die gute Dauerwirkung ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sich zum zweiten Applikationszeitpunkt ein Großteil der adulten Ohrwürmer im Laubwandbereich aufhielt und somit keine Tiere nach der Applikation aufwanderten. Das Insektizid Confidor WG 70 (Wirkstoff: Imidacloprid), das zur Bekämpfung der Reblaus und von Thripsen im Weinbau genehmigt ist, reduziert den Gemeinen Ohrwurm gegenüber SpinTor nur kurzzeitig, bis zwei Wochen nach der Nachtapplikation.
Drei Wochen vor der Traubenlese zeigte das Mittel keine Wirkung auf den Ohrwurm mehr. In einem weiteren SpinTor-Bekämpfungsversuch wurde die Wirkung einer Nachtapplikation des Mittels mit der Wirkung einer Tagapplikation verglichen. Hierzu wurde SpinTor in einer 22-jährigen Riesling-Fläche in Neustadt an der Weinstraße einmal spätabends (05.08.08: 22 Uhr) und einmal am frühen Morgen (06.08.08: 7:30 Uhr) ausgebracht. Die Riesling-Anlage wurde in gleichen Teilen in Kontroll-, SpinTor-Tag- und SpinTor-Nacht-Parzelle geteilt. Zentral in den jeweiligen Parzellen wurden die Fallentransekte angelegt, in denen pro Stickellänge eine Bambusfalle im Traubenzonenbereich montiert wurde. Zur Verdeutlichung der Insektizidwirkung wurden die Signifikanzgruppen des Tukey-Tests und die Wirkungsgrade nach Abbott (1925) durch Liniengraphen zusätzlich eingefügt.
Die Nachtapplikation von SpinTor reduzierte die Ohrwurmzahlen im Laubwandbereich über den gesamten Versuchszeitraum am deutlichsten. Unmittelbar nach der Applikation bis zur Traubenlese wurden in der SpinTor-Nacht-Parzelle signifikant weniger Individuen erfasst als in der Kontroll- und SpinTor-Tag-Parzelle. Eine Woche nach der Nachtapplikation (15.08.) erreichte SpinTor einen für Freilandbedingungen sehr hohen Wirkungsgrad von 94%. Vier Tage vor der Lese betrug der Wirkungsgrad in der Parzelle immer noch 55%. Mit der Tagapplikation wurden die Ohrwurmdichten im Laubwandbereich deutlich weniger reduziert. Bereits drei Wochen nach der Applikation (29.08.) wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Individuenzahlen der SpinTor-Tag- und Kontrollparzelle mehr errechnet. Dieser Zusammenhang wird auch anhand der Wirkungsgrade der Tagapplikation deutlich: Eine Woche nach der Applikation (15.08.) wurde ein für die Praxis noch akzeptabler Wirkungsgrad von 67% erzielt. Bis zur Traubenlese nahm die Wirkung auf 17% ab, der Befall unterschied sich nur noch unwesentlich vom Befall in der Kontrollparzelle.

Fazit

Die Versuche mit SpinTor haben eindeutig ergeben, dass eine Nachtapplikation die Befallsdichten im Laubwandbereich effektiver reduzieren kann als eine Applikation bei Tag. Dies ist auf die nächtliche Aktivitätsphase der Ohrwürmer zurückzuführen, welche den Kontakt der Tiere mit dem Insektizid stark erhöht. Am Tag werden deutlich weniger Individuen unmittelbar von dem Wirkstoff getroffen, weil sich die Tiere tagsüber in Verstecke zurückziehen und hier weitgehend geschützt sind. Aufgrund der vorgestellten Ergebnisse wurde Anfang 2009 bei der zuständigen Behörde ein Genehmigungsantrag nach § 18a Pflanzenschutzgesetz für das Insektizid SpinTor gegen Forficula auricularia gestellt. Im Falle einer Genehmigung liegt ein geeigneter Bekämpfungstermin bei hohem Befall etwa Mitte Juni, um das in den Rebstock aufwandernde vierte Larvenstadium zu bekämpfen. Da SpinTor als bienengefährlich (B1) eingestuft ist, sollte die erste Applikation Mitte Juni erst nach der Rebblüte erfolgen. Für einen zweiten Termin eignet sich der Zeitraum etwa drei bis vier Wochen vor der Lese, um die adulten Ohrwürmer zu reduzieren. Bei hohen Befallsdichten wird der optimale Wirkungserfolg mit einer Nachtapplikation (ab 22 bis 5 Uhr) erreicht, wenn die Ohrwürmer ihre Tagesverstecke verlassen und sich aktiv und offen in der Laubwand bewegen.


Literaturverzeichnis

  • Abbott, W. S. (1925): A method of computing the effectiveness of an insecticide. Journal of Economic Entomology 18, 265-267.
  • Barber, H. (1931): Traps for cave-inhabiting insects. Journal of Elisha Mitchell Science Society 46: 259-266.
  • Begon, M. E., J. L. Harper, C.R. Townsend (1996): Ecology. 3rd Edition. Oxford, Blackwell Science Limited 1068 p.
  • Huth, Claudia, Karl-Josef Schirra, Friedrich Louis (2010): Der Ohrwurm - Vom Nützling zum Schädling? Deutsches Weinbaumagazin 10: 24.
  • Huth, Claudia, Karl-Josef Schirra, Friedrich Louis (2010): Der Ohrwurm - Vom Nützling zum Schädling?, Teil II: Maßnahmen zur Kontrolle in Rebanlagen. Deutsches Weinbaumagazin 11: 16.