Entstehung der Rebsorten

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Die Herkunft der Rebsorten ist unterschiedlich. Sie können aus einheimischen Wildreben ausgelesen, aus anderen Weinbauländern eingeführt, durch Mutation in den Weinbergen entstanden oder aus bewussten oder unbewussten Kreuzungen hervorgegangen sein.

Auslesen aus Wildreben

Das Auslesen aus Wildreben ist eine seit Beginn der Weinkultur übliche Praxis. Dadurch wurde aus dem Traubensammler der Winzer. Belege für solches Vorgehen zur Zeit der Römer sind die mit den Samen von Wildreben vergleichbaren Rebkerne aus dem römischen Weingut Weilberg in Ungstein. Andere Samen sind nach der Form mit 'Burgunder', 'Traminer' oder 'Riesling' vergleichbar. In der Neuzeit hat um 1750 J. M. Ortlieb eine kulturwürdige Wildrebe im Auwald des Elsaß gefunden und sie als Ortlieber oder kleiner Räuschling verbreitet. Johann Philipp Bronner (1792-1864) las um 1840 ein ganzes Sortiment unterschiedlicher Wildreben aus dem Auwald aus. Daraus hat die Orangentraube den Weg in die Weinberge gefunden. Eine Abstammung des Rieslings aus Wildreben der Pfalz ist daher durchaus möglich. Die Ampelographen nehmen dies an.

Eingeführte Rebsorten

Für gut befundene Rebsorten verbreiteten sich rasch über Ländergrenzen. Die Mehrzahl davon ist wegen schlechter Anpassung an das Klima verschwunden. Einige wenige, wie die reich tragenden Sorten Heunisch, Harthengst, Putzscheer, Säuerling, Quadler, wurden über Jahrhunderte im "Gemischten Satz" gepflanzt. Nach der Verbreitung der sortenreinen Weinberge sind sie vom Anbau ausgeschlossen worden, da die besseren Sorten die schlechte Qualität nicht mehr ausgleichen konnten.
Wegen zu geringer Übereinstimmung mit einheimischen Wildreben kann der Trollinger als eingeführt angesehen werden. Von Elbling und dem Gutedel nimmt man dies ebenso an. Nachgewiesen ist es für den 1850 von Bronner aus Österreich nach Deutschland verbrachten Portugieser und Lemberger. Die verschiedenen Burgundersorten stammen aus Frankreich. Übertragungen sind mehrfach überliefert (884 von Karl dem Dicken nach Bodman/Bodensee, im 18 Jht. von Burgund an die Ahr, der Ruländer möglicherweise von Assessor Seuffert im 17. Jht. von der Champagne nach Speyer). Weltweit geschah dies mit dem Chardonnay, Sauvignon Blanc, Merlot und Cabernet Sauvignon.

Kreuzung

Nur aus der Kreuzungszüchtung können Sorten mit völlig neuen Eigenschaften hervorgehen. Dem Züchter obliegt es, aus einer Vielzahl von Sämlingen die zufällig kulturwürdigen auszulesen. Der Beginn der Rebenzüchtung waren im 18. und 19. Jh. Aussaaten von Rebsamen, aus denen neue Sorten aufwuchsen (z. B. 'Muskat Ottonel' oder 'Malingre'). Intensiviert wurden Kreuzungsversuche nach der Einschleppung der Rebenfeinde Oidium, Reblaus und Peronospora aus Amerika. Man kannte dort dagegen widerstandsfähige, aber qualitativ minderwertige Rebsorten. Die Züchter bemühten sich, die Resistenz der amerikanischen Arten mit den günstigen Eigenschaften der europäischen Rebsorten zu kombinieren. Aus Kreuzungsversuchen ''Müller-Thurgaus' ist so 1882 die wichtigste deutsche Rebsorte Müller-Thurgau hervorgegangen. Nach 1894 las Teleki in Ungarn aus einem Sämlingsfeld die heute wichtigen Unterlagen aus. Der Verbreitung der Reblaus folgend, war die Resistenzzüchtung in den Ländern mit starker Reblausverseuchung wie Frankreich am intensivsten. Von den deutschen Rebenzüchtern ist besonders Gustav Adolf Froelich (1847-1912) aus Edenkoben zu erwähnen, der vor 1900 den Dunkelfelder fand. Georg Scheu (1879-1949) wurde in der 1916 aus 'Silvaner' X 'Riesling' hervorgegangenen Scheurebe verewigt, ebenso Peter Morio (1887-1960), der die damals der Weinbauschule Neustadt angegliederte Rebveredlungsanstalt Geilweilerhof leitete, im Morio-Muskat.
Während die alten resistenten Sorten wegen des hohen Anteils von amerikanischen Sorten stammendem Erbgut alle für unser Geschmacksideal mehr oder weniger große qualitative Mängel aufweisen, sind die neueren, auf dem Geilweilerhof, in Geisenheim und Freiburg gekreuzten Formen von europäischen Sorten nicht oder nur schwer unterscheidbar. Die neuen Formen der Züchtung, wie die Übertragung von Genen, d. h. einzelnen Eigenschaften in vorhandene Sorten, sind noch ein Wunschbild, da hierzu noch erhebliche wissenschaftliche Vorarbeiten zu leisten sind, z. B. die Auffindung der Genorte für bestimmte Merkmale am Chromosom.

Erhaltungszüchtung

Wichtiger für Winzer und Weinfreund ist derzeitig die Erhaltungszüchtung. Neben auslesewürdigen Mutationen kommen in 1000-facher Häufigkeit negative genetische Veränderungen bei Rebsorten vor. Durch die vegetative Vermehrung über Rebholz bleiben die ungünstigen Eigenschaften erhalten oder häufen sich, wenn durch die Änderung ein Stock z. B. wenig Trauben und viel Holz bringt. Darüber hinaus verbreiten sich auch von Viren oder Bakterien infizierte Stöcke im Bestand. Letztlich werden dadurch leistungsfähige Stöcke im Weinberg immer seltener. Diesen Entwicklungszustand starken Abbaus hatten im 18. Jh. teilweise bis 1950 alle alten Rebsorten erreicht, obwohl schon zu Zeiten der Römer die Vermehrung der leistungsstarken Stöcke empfohlen wurde. Neue, gerade ausgelesene Sorten waren daher gegenüber den alten deutlich leistungsfähiger.
Die moderne Erhaltungszüchtung begann 1876, als Gustav Adolf Froelich (1847-1912) in Edenkoben Einzelstöcke der Sorte 'Silvaner' über mehrere Jahre beobachtete und die guten getrennt vermehrte. Die Nachkommen dieser Stöcke blieben leistungsfähig. Die Gesundung der alten Sorten konnte beginnen. Da die Sorte Silvaner als erste ihre alte Leistungsfähigkeit wieder erlangt hatte, wurde sie häufig angepflanzt. Den wissenschaftlichen Unterbau der Klonenzüchtung, die getrennte Vermehrung der Nachkommen einzelner Stöcke, legte Dr. Otto Sartorius (1892-1977) in Mußbach, indem er gute und schlechte Stöcke von Silvaner getrennt vermehrte und feststellte: die Nachkommen behalten die guten oder schlechten Eigenschaften der Mutterstöcke bei. Heute sind alle bei uns angepflanzten Rebsorten erhaltungszüchterisch ausgelesen. Der Anbau von 'Traminer', 'Ruländer', Weißburgunder und Riesling ist wieder wirtschaftlich geworden und ermöglicht den Drang nach sogenannten klassischen Sorten.

Einzelnachweise


Literatur

  • Adams, Jakob, Schumann (1997): Weinkompendium. Verein der Absolventen der Staatlichen Lehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft, Weinbau und Gartenbau. Neustadt an der Weinstraße. 
  • Ambrosi, Dettweiler, Rühl, Schmid, Schumann (1994): Farbatlas Rebsorten. 300 Sorten und ihre Weine.. Ulmer. Stuttgart. ISBN 3-8001- 5718-7
  • Clarke, Oz (1992): Weine aus aller Welt. Müller-Rüschlikon-Verlag. Stuttgart. ISBN 3-275-01040-9
  • Hillebrand, Lott, Pfaff (1997): Taschenbuch der Rebsorten. Fachverlag Dr. Fraund. Mainz. ISBN 3-921156-27-0
  • Hillebrand, Lott, Pfaff (1989): Traube und Wein Deutschlands Rebsorten und Weine. Fachverlag Dr. Fraund. Mainz. ISBN 3-921156-04-1
  • Johnson, Hugh (1995): Atlas der deutschen Weine. Hallwag. Stuttgart. ISBN 3-444-10445-6
  • Robinson, Jancis (1987): Reben - Trauben - Weine. Ein Führer durch die Rebsorten der Welt.. Hallwag. Stuttgart. ISBN 3-444-10333-6