Eiweißstabilität mit Bentonit

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Eiweißschönung mit Bentonit

Einleitung

In den verschiedenen Jahrgängen unterscheiden sich die Eiweißstabilität in Wein und der damit verbundene Schönungsbedarf sehr stark. Die Gründe dafür sind so vielfältig wie die Meinungen zum Thema Bentonit. Doch gleichgültig ob die jeweilige Betriebsphilosophie stabilisierende Maßnahmen in Most oder Wein vorsieht, der Schaden, der jährlich durch eiweißtrübe Weine entsteht, ist für einige Betriebe finanziell belastend und Image-schädigend. Dem Mythos Bentonitbedarf soll an dieser Stelle auf den Grund gegangen werden. Dabei stehen sowohl Vorurteile auf dem Prüfstand, als auch mögliche Ursachen für Eiweißinstabilität.

Aus dem reichhaltigen Datenarchiv des Weinchemischen Labors des DLR Rheinpfalz in Neustadt wurden alle Ermittlungen des Bentonitbedarfs in den Jahren ab 2001 zusammen getragen und graphisch gegenüber gestellt. Dabei zeigt sich, dass sich die Jahrgänge tatsächlich auffällig unterscheiden, was sich zudem statistisch signifikant belegen lässt. Der Aufstellung in Abbildung 1 liegen insgesamt etwa 700 Datensätze zugrunde.

Abb. 1: Der mittlere Bentonitbedarf in den Jahren 2001 bis 2007

Die Darstellung widerspricht auf den ersten Blick einigen Mutmaßungen, die immer wieder aus der Praxis zu hören sind. Die Annahme beispielsweise, dass im Jahrgang 2004 der Bentonitbedarf besonders hoch gewesen sein muss, weil 2003 so heiß und trocken war, lässt sich nicht erkennen. Ebenso wenig lässt sich die Aussage bestätigen, dass besonders faule Jahrgänge wie 2006 hohe Eiweißinstabilitäten aufweisen. Eher im Gegenteil; genau diese Jahrgänge sind im mittleren Bedarf auffällig gering. Wo sind also die Gründe für einen hohen Bentonitbedarf? Und warum ist ein Musterjahrgang wie 2007 so auffällig hoch?

Eingrenzung des Problems

Zunächst stellt sich die Frage, ob die instabilen Proteine tatsächlich nur aus der Traube kommen oder ob die Hefe und damit der Gärverlauf ebenfalls einen Einfluss haben. Zu diesem Thema hat Fischer im Jahrgang 2003 Untersuchungen durchgeführt[1], mit dem Ergebnis, dass die für Eiweißtrübungen verantwortlichen Proteine vornehmlich aus der Traube stammen. Es handelt sich dabei um so genannte „Pathogenese relevanten Proteine“, also Eiweißprodukte, die als Abwehrstoffe gegen mikrobiologischen Befall wie Botrytis in der Beere gebildet werden. Eiweiße aus dem Hefestoffwechsel sind meist sehr gut wasserlöslich und spielen so bei der Bildung von Trübungen kaum eine Rolle.
So stellt sich die Frage ob der Reifezustand des Lesegutes einen Einfluss auf die Proteinstabilität hat. Laut Fischer steigt bei zunehmender Ausreifung der Beeren auch der Eiweißgehalt, so dass in Jahrgängen mit langer Vegetationsperiode und positivem Reifeverlauf der Bentonitbedarf tendenziell höher liegen müsste. Diese Theorie lässt sich allerdings aufgrund der Gesamtheit der vorliegenden Daten nicht bestätigen, da besonders der heiße Jahrgang 2003 im Bentonitbedarf sehr niedrig liegt. Dieser Jahrgang war gekennzeichnet von vielen Sonnenscheinstunden und hohen Temperaturen, so dass hier von vollständiger Ausreifung gesprochen werden kann. Die prognostizierte hohe Eiweißinstabilität ist aber nicht nachzuweisen; eine Beobachtung, die in früheren Untersuchungen schon gemacht wurde.
Da Eiweiße stark durch den pH-Wert beeinflusst werden, wurde die Entwicklung der pH-Werte in den einzelnen Jahrgängen in die Betrachtungen mit einbezogen. Hierzu wurden die Daten der jährlichen Reifemessungen verwendet, da diese den Vorteil haben, dass wöchentlich pH-Werte aus der ganzen Region gemessen werden. Es handelt sich demnach um Daten, die nur physiologische Entwicklungen in der Pflanze betrachten, da Traubenproben direkt vermessen werden. Im Laufe der Gärung ändert sich der pH-Wert und damit die Eiweißstabilität durch die mikrobiologische Aktivität und den steigenden Alkoholgehalt noch einmal beträchtlich. Diese Veränderung bleibt aber in diesem Zusammenhang unbeachtet, da hier nur geklärt werden soll, welche Einflüsse die Eiweißeinlagerung in der Pflanze verstärken. Außerdem wurde bereits festgestellt, dass hauptsächlich Eiweiße aus der Pflanze für Trübungen verantwortlich sind.
Die Daten der letzten sieben Jahre zeigen, dass die pH-Werte nur um das langjährige Mittel schwanken ohne einen offensichtlichen Zusammenhang mit dem Bentonitbedarf erkennen zu lassen. Der Einfluss des pH-Wertes ist folglich von Pflanzenseite zu vernachlässigen. Aufgrund der großen Probenanzahl ist die Wahrscheinlichkeit, dass Abweichungen in der Gärführung den Mittelwert beeinflussen, sehr gering. Hier mitteln sich Unterschiede heraus, so dass eher die globaleren Zusammenhänge für die bestehenden Unterschiede verantwortlich gemacht werden müssen.

Klimatische Einflüsse auf den Bentonitbedarf

Abb. 2: Globalstrahlungsdaten der Monate Juni und Juli (Quelle: Deutscher Wetterdienst)

Die Strahlungsintensität für die Pflanze lässt sich über den Globalstrahlungswert darstellen, der die ankommende Energie in Joule pro Quadratzentimeter erfasst. Der eigentlich interessante Zeitraum sind die letzten Monate vor der Ausreifung, sodass in der folgenden Graphik die Summe der Strahlung von Juni bis Juli dargestellt ist.

Die Theorie hinsichtlich der Pflanzenstressreaktion von Schultz besagt, dass je höher die Strahlungsintensität bei der Einlagerung von Stickstoffverbindungen ist, desto höher wird der Bentonitbedarf. Das würde bedeuten, dass ein hoher Globalstrahlungswert (siehe Abbildung 2) eine große Instabilität zur Folge hätte. In unseren Daten ist eher das Gegenteil der Fall. Tendenziell zeigen Jahrgänge mit hoher Strahlungsintensität einen geringen Bentonitbedarf. Eine mögliche Erklärung dafür findet sich am Ende dieser Ausführungen, da sich nur aus einer Vielzahl von Daten ein stimmiges Bild ergibt.

Abb. 3: Durchschnittstemperaturen der Jahre 2001 bis 2007

Wenn man sich die Wetteraufzeichnungen der letzten Jahre ansieht, lassen sich verschiedene Auffälligkeiten feststellen. Abbildung 3 zeigt die Durchschnittstemperaturen der Jahre 2001 bis 2007.

Die Anzahl der auffälligen Jahre ist in dieser Statistik eher gering und lässt demnach keine Aussage zu. Interessant ist aber, dass die Durchschnittstemperatur in jedem September zwischen 2001 und 2006 kontinuierlich anstieg. Dass hohe Temperaturen aber nicht zwangsläufig einen Anstieg des Bentonitbedarfs zur Folge haben, zeigt der Jahrgang 2003. Deshalb müssen die Gründe an anderer Stelle zu finden sein. Die Zusammenfassung der Jahresniederschläge ist in Abbildung 4 zu sehen.

Abb. 4: Durchschnittliche Niederschläge der Jahre 2001 bis 2007

In dieser Darstellung ist eine unübersichtliche Vielzahl von Abweichungen zu erkennen, was deutlich macht, dass Abweichungen vom langjährigen Mittel die Regel geworden sind. Eine Systematik bezüglich des Bentonitbedarfs ist aber nicht zu erkennen. Vielmehr ist es so, dass fast jeder Jahrgang mindestens ein extremes Niederschlagsereignis aufzuweisen hat, sowohl mit besonders viel Regen als auch mit besonders wenig. Das führt zu dem Gedanken, dass der Zeitpunkt des Niederschlages oder die Menge der Wetterextreme einen Einfluss hat. Niederschläge zu bestimmten Zeitpunkten in der Vegetationsperiode führen zu einer starken Wasseraufnahme in die Beere, was für die Inhaltsstoffe verdünnend und für den Stoffwechsel der Pflanze belastend wirkt. Dabei könnte es zu Stressreaktionen in Form von erhöhter Eiweißeinlagerung kommen. Doch auch hier findet sich nach intensiver Betrachtung der Werte kein direkter Zusammenhang. Vielmehr sind Trends zu beobachten, so dass der Niederschlagsmenge wahrscheinlich eher eine unterstützende bzw. verstärkende Wirkung zukommt. Es erscheint zwar logisch, dass eine Wasseraufnahme in die Beere die Lösungs- und Gleichgewichtsverhältnisse extrem beeinflussen könnte, jedoch ist dieser Zusammenhang nicht aus den Daten abzuleiten.

Abb. 5: Klimatische Wasserbilanz der Jahre 2003 bis 2007

Auch das Zusammenspiel zwischen Temperaturen und Niederschlägen könnte eine entscheidende Rolle spielen. Diese Wechselwirkung wird in der klimatischen Wasserbilanz zusammengefasst. Diese berechnet sich aus der Differenz zwischen Niederschlag und Evaporation. Leider liegen aktuell nur die Daten ab 2003 vor, so dass sich kein komplettes Bild der bisher betrachteten sieben Jahre zeichnen lässt. Die Daten sind in Abbildung 5 zu sehen.

Auffällig ist auch in dieser Darstellung, dass die Jahrgänge, die durch einen geringen Bentonitbedarf gekennzeichnet waren, eine ungewöhnlich hohe Abweichung vom langjährigen Mittel zeigen. Ein sehr interessanter Zusammenhang ergibt sich hier, wenn man die Anzahl der extremen Wetterereignisse aller Bereiche zusammen rechnet und für jeden Jahrgang darstellt. Dabei wurde jede Abweichung vom langjährigen Mittel im Bezug auf Niederschlag, Sonnenscheinstunden und Temperaturen gezählt und graphisch dargestellt. Dabei ergibt sich ein unerwartetes Bild. Es scheint, dass der Bentonitbedarf in Jahren mit wenigen Anomalien am höchsten ist. Bei der bildlichen Darstellung sind die Graphen damit genau gegenläufig. Um das nun etwas anschaulicher und mathematisch korrekt so auszudrücken, dass es sich vergleichen lässt, wurde der Kehrwert dieser Daten gebildet. Dazu wurde die Anzahl der Wetterauffälligkeiten von der willkürlich festgelegten Zahl 100 abgezogen. Dieser Kehrwert wird im Folgenden der Einfachheit halber als Anzahl der Wetteranomalien bezeichnet, spiegelt aber nicht die eigentliche Anzahl wider. Zur Verdeutlichung des Zusammenhangs ist die Bentonitbedarfsgraphik in Abbildung 6 noch einmal in Verbindung mit diesem Wert gestellt.

Abb. 6: Gegenüberstellung der Wetteranomalien mit den Bentonitbedarf

In diesem Bild sind Parallelen mit der Darstellung des Bentonitbedarfs zu erkennen. Die Ausnahme stellt der Jahrgang 2004 dar, der dem Modell folgend einen hohen Bentonitbedarf gehabt haben müsste, de facto aber eher durchschnittlich war. Ansonsten zeigt sich hier eine gewisse Übereinstimmung der Graphiken. Die Jahrgänge 2002, 2006 und 2007 zeichnen sich durch eine geringe Abweichung vom langjährigen Mittel aus und haben jedoch gleichzeitig einen hohen Bentonitbedarf.

Erklärungsversuche

Die Pflanze reagiert auf verschiedene Stresssituationen mit der Einlagerung von Schutzsubstanzen. Dazu zählen vor allem Phenole und Proteine. Die Bildung von Phenolen wird bei Wetterextremen und besonders bei Trockenstress und mikrobiologischem Befall forciert. In der Traube stellt sich während der gesamten Reifeperiode ein dynamisches Gleichgewicht von Inhaltsstoffen und pH-Wert ein. Verschiedene Stoffe werden eingelagert, angereichert, abgebaut oder reagieren miteinander. Dabei kann es auch zu Wechselwirkungen zwischen Phenolen und Proteinen kommen. Diese aus dem Schönungsbereich bekannte Reaktion führt zu einer Ausfällung der Proteine durch Zusammenlagerung mit Phenolen. Die ausgeflockten Protein-Gerbstoff-Komplexe gehen bei der Weinbereitung nicht mehr in Lösung und stellen damit im Wein kein Problem mehr dar.

Abb. 7: Prognosemodell zur Vorhersage des mittleren Bentonitbedarfs

Mit dem Modell lässt sich ein überwiegender Teil der vorliegenden Daten erklären. Je mehr Stress die Pflanze klimatisch ausgesetzt ist, desto mehr Phenole lagert sie ein. Damit sinkt letztlich der Eiweißgehalt im Most und folglich auch der Bentonitbedarf.
Einzige Ausnahme bleibt bei den vorliegenden Daten der Jahrgang 2004. Hier muss angenommen werden, dass die Reben aufgrund des extremen Jahres 2003 physiologisch nicht normal reagiert haben und es sich hier also um Nachwirkungen des vergangenen Jahres handelt. Für die anderen Jahrgänge lässt sich das Modell der „Beereninternen Schönung“ erfolgreich anwenden.

Das Modell kann nun durch den Jahrgang 2008 validiert werden. Dabei werden auch alle Wetteranomalien gezählt und die Zahl in die Gleichung eingesetzt. Das Ergebnis ist in Abbildung 8 zu sehen.

Abb. 8: Vorhersage und Überprüfung des mittleren Bentonitbedarfs in 2008

Die Übereinstimmung zwischen Prognose und tatsächlich ermitteltem mittleren Bedarf ist sehr gut, so dass das Modell zumindest für 2008 funktioniert hat. Die Prognose für den Jahrgang 2009, die zum aktuellen Zeitpunkt noch statistisch abgesichert bestätigt werden kann, ist in Abbildung 9 zu sehen. Damit würde der Bentonitbedarf in etwa dem von 2002 entsprechen.

Abb. 9: Prognose des mittleren Bentonitbedarfs in 2009

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Korrelation zwischen klimatischen Abweichungen vom langjährigen Mittel und dem Bentonitbedarf sehr gute Ergebnisse gebracht hat. Damit lässt sich zumindest tendenziell vorhersagen, ob der Jahrgang höher oder niedriger liegen wird, was sicherlich die Planung des Schönungsmitteleinsatzes erleichtert.

Einzelnachweise

  1. Fischer U. (2005): Eiweisstrübung –Wie lässt sie sich vermeiden?. In: Das Deutsche Weinmagazin. 12. Nr. 16/17. 18−23

Literaturverzeichnis

  • Sommer, S. (2014): Eiweißstabilität mit Bentonit - Mögliche Ursachen für erhöhten Schönungsbedarf. Abteilung Weinbau & Oenologie (Gruppe Oenologie), Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz, Neustadt an der Weinstraße.
  • Fischer U. (2005): Eiweisstrübung –Wie lässt sie sich vermeiden?. In: Das Deutsche Weinmagazin. 12. Nr. 16/17. 18−23.