Blauschönung

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Strukturformel von Kaliumhexacyanoferrat(II) zur Blauschönung

Die Blauschönung (Möslinger-Schönung, "Möslingern") mit Kaliumhexacyanoferrat II (= gelbes Blutlaugensalz, K4[Fe(CN)6], Kaliumferrocyanid, Ferrocyankalium) wird seit 1923 in der Weinbereitung angewendet.[1] Ihre Bedeutung beruht darauf, störendes Eisen aus dem Wein auszufällen.[1] Dabei entsteht ein blau gefärbter Niederschlag (= Blauschönung).[1] Durch die Reduzierung der Schwermetalle werden spätere Schwermetalltrübungen im Wein verhindert.

Entdeckt wurde das Verfahren im Jahre 1903 vom deutschen Wein-Chemiker Dr. Wilhelm Möslinger (1856-1930). Seit 1923 ist das von Möslinger entwickelte Verfahren der Blauschönung zur Reduzierung der Schwermetalle im Wein erlaubt.

Die wesentlichsten Quellen der Metallaufnahme sind - außer dem natürlichen, von der Rebwurzel aufgenommenen Eisen, das 2-5-5 mg/l betragen kann - Traubenmühlen und Pressen aus SM-Stahl, Herbstgeräte aus Metall, deren Lackanstrich durch die mechanische Beanspruchung bald schadhaft und das blanke Metall dann durch die Fruchtsäuren gelöst wird (Eisen, Zink, auch Kupfer).[1]

Im Fasskeller sind es hauptsachlich die Fasstürchen-Zugschrauben und Eisendübel, soweit sie nicht aus Cr-Ni-Mo-Stahl gefertigt sind, Geräte aus unzweckmäßigen Metall-Legierungen, schadhafte Stahltanks oder, wenn auch selten, eisenhaltige Filtrier- und Schönungsmittel, die an den Wein Metalle abgeben können.[1]

Die zunehmende Verwendung von Kellergerät und Behältern aus Kunststoffen und Edelstahl hat das Problem der Eisenaufnahme und -trübungen und damit auch die Anwendung der Blauschönung rückläufig beeinflusst.[1]

Schwermetalle im Most und Wein

Die durch die Rebwurzeln aufgenommenen Mengen an Schwermetallen spielen für die Trübungsbereitschaft keine Rolle. Lediglich Kontakte von Trauben, Maische, Most oder Wein mit Schwermetallen (aus Gerätschaften, Behältern, Behandlungsstoffen u. a.) können zu so hohen Gehalten führen, so dass Eisentrübungen auftreten können und zwar:

  • Eisen(III)-tannat oder Ferritannat = schwarzer Bruch'


Das bei normalen Gehalten an freier SO2 in der zweiwertigen Form vorliegende Eisen (Fe2+) bildet mit Phosphaten lösliche Verbindungen von Eisen(II)-phosphat (oder Ferrophosphat), die keine Trübungen hervorrufen.

Bei stärker abnehmendem Gehalt an freier SO2 (Sauerstoffkontakt Holzfasslagerung, Umlagerung oder Abstich bei älteren Weinen, auch nach der Abfüllung bei längerer Flaschenlagerung), wird die lösliche Ferroform in die weniger lösliche Ferriform oxidiert. Es bildet sich dadurch eine weiße bzw. weiß-graue schleierhaltige Trübung.

Bei hohen Gerbstoff- und Eisengehalten erfolgt in gleicher Weise die Umwandlung von Eisen(II)-tannat (oder Ferrotannat) in Eisen(III)-tannat (oder Ferritannat). Es bildet sich eine blau-schwarze Verbindung von gerbsaurem Eisen (Tinte = früher Eisengallustinte).

Weine mit niedrigen Säuregehalten neigen stärker zu Eisentrübungen. Man kann von der Erkenntnis ausgehen, dass Eisengehalte unter 5 mg/l und Kupfergehalte unter 0,5 mg/l keine Trübungen hervorrufen. In den letzten Jahren ist durch verstärkte Verwendung von Kunststoffen und Edelstahl die Aufnahme von Eisen stark zurückgegangen.

Gesetzliche Vorgaben für die Verwendung

Nach dem Amtsblatt der Europäischen Union, VERORDNUNG (EG) Nr. 606/2009 DER KOMMISSION vom 10. Juli 2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 479/2008 des Rates hinsichtlich der Weinbauerzeugniskategorien, der önologischen Verfahren und der diesbezüglichen Einschränkungen, ANHANG I A - ZUGELASSENE ÖNOLOGISCHE VERFAHREN UND BEHANDLUNGEN, Absatz 26 ist die Behandlung wie folgt zugelassen:

  • von Weisweinen und Roséweinen mit Kaliumhexacyanoferrat,
  • von Rotweinen mit Kaliumhexacyanoferrat oder mit Kalziumphytat.
  • Bei Kalziumphytat ist die Verwendung bis zu einem Grenzwert von 8 g/hl zugelassen.


Weinrechtlich ist bei der Anwendung der Blauschönung außerdem Folgendes zu beachten:

  • Süßreserve darf nicht mit K4[Fe(CN)6] behandelt werden.
  • Die Voruntersuchung und Nachkontrolle (innerhalb 10 Tagen nach der Schönung) müssen von sachkundigem Laborpersonal durchgeführt werden.
  • Als Beweis der vollständigen Abbindung des Kaliumhexacyanoferrates muss immer ein Metallrest im Wein verbleiben.
  • Eine Zugabe von Schwermetallen (sogenannte Rückschönung) ist verboten!


Durchführung der Blauschönung

Aus dem Umstand, dass das Eisen in zwei verschiedenen Wertigkeitsstufen vorliegen kann, folgt, dass eine genaue Berechnung der zur Schönung notwendigen Menge Kaliumhexacyanoferrat (II) aufgrund einer chemischen Bestimmung des im Wein enthaltenen Eisens nicht möglich ist. Durch Schönungs-Vorversuche mit kleinen Mengen Wein wird der erforderliche Bedarf ermittelt. Auf diese Weise werden gleichzeitig durch die im Wein enthaltenen Metalle Kupfer, Zink und Mangan erfasst, die dann bei der Blauschönung ebenfalls ausgefällt werden.

Zur genauen Bedarfsermittlung ist unbedingt eine Durchschnittsprobe erforderlich! Vorherige Durchmischung ist notwendig. Bei Probeentnahme durch Metallhähne ist zu beachten, eine genügend große Menge (2 bis 3 Liter) vorlaufen zu lassen. Zwischen Probeentnahme und Schönung hat jegliche Behandlung (Schwefelung, Beifüllung, sonstige Schönungen) zu unterbleiben. Die Probeflasche muß ausreichend beschriftet werden, wobei Weinbezeichnung, Gebinde-Nummer, Menge und Betriebsanschrift die wichtigsten Angaben sind. Bei mehreren Proben sollten die Flaschen schon vorher beschriftet und den Behältern zugeordnet werden.

Nach Bestimmung der Schönungsmittelmenge im Labor wird zur Auflösung des genau gewogenen Salzes grundsätzlich Wasser verwendet. In der dreifachen Wassermenge von maximal 40 °C ist eine Lösung in wenigen Minuten möglich. Nach Vermischung mit einer größeren Weinmenge ist die sofortige Zugabe und gründliche Durchmischung in dem zu schönenden Gebinde (Zugabe bei laufendem Rührwerk) zur Vermeidung lokaler Überkonzentration notwendig.

Bei Weinen mit normalen Säuregehalten und pH-Werten unter 3,6 ist die Ausscheidung von Blautrub nach einer Woche abgeschlossen und der Wein kann vom Trub getrennt werden. Eine zusätzliche Klärschönung mit Kieselsol-Gelatine, Tannin-Gelatine oder Hausenblase kann die Klärwirkung und Absitzgeschwindigkeit des Trubes erheblich verbessern. Der Trub darf nicht gebrannt werden, sondern muß nach seiner Verarbeitung als Sondermüll entsorgt werden.

Zweckmäßigerweise wird die Blauschönung bald nach dem 1. Abstich vorgenommen. Bei Weinen, die früh auf Flaschen gefüllt werden, wird die Blauschönung am besten 4 bis 6 Wochen vor der Abfüllung durchgeführt, gleichgültig, ob der Wein bis dahin ein- oder zweimal abgestochen wurde. Bei sauber behandelten Rotweinen ist eine Blauschönung seltener notwendig als bei Weißweinen.

Wirkungsweise

Durch Zusatz einer genau bestimmten Menge des Gelben Blutlaugensalzes kann das vorhandene Eisen bis auf einen geringen Rest als schwerlösliches Berlinerblau ausgefällt werden. Darüber hinaus werden auch Kupfer-, Zink-, Mangan-, Nickel-, Silber-, Blei- oder Cadmium-Ionen als schwerlösliche Ferrocyanidkomplexverbindungen gefällt oder durch Adsorption reduziert. Bei längerer Einwirkungszeit werden auch Aluminium-Ionen aus dem Wein entfernt.

Die Reaktion verläuft in 2 Stufen:

1. Stufe: Zunächst werden die Eisen-Ionen in lösliches Berlinerblau übergeführt.

2. Stufe: Durch "Alterung" wird diese tiefblaue kolloidale Flockung in unlösliches Berlinerblau umgewandelt.


Mit Kupferionen entsteht ein rotbrauner Niederschlag und mit Zink eine weiße flockige Fällung.

Nebenwirkungen

Positive Nebenwirkungen:

  • Die Blauschönung hat eine harmonisierende reifende Wirkung, besonders bei jungen Weinen und (noch) unharmonischen Verschnitten.
  • Es werden auch geringe Mengen Eiweiß entfernt.
  • Diese Schönung wirkt sich auf Klärung und Filtrationsfähigkeit positiv aus.
  • Der Frostton aus gefrorenem, unreifen Lesegut wird verringert.
  • Durch die Entfernung von Metallen (hart-metallisch bei Eisen; Bitterton bei Kupfer) wird der Geschmack günstig beeinflusst und ein stabileres Redoxpotential (Katalysatorenwirkung von Eisen und Kupfer) erzeugt.


Negative Nebenwirkungen:

  • Es kann zum Alterungseffekt bei reifen Weinen kommen.
  • Überschönung: Weine, in denen noch gelöste Hexacyanoferratverbindungen nachgewiesen werden können, dürfen nicht in den Verkehr gelangen und auch keiner weiteren Verwendung zugeführt werden. Man darf sie also weder brennen noch zu Essig verarbeiten. Da die mit Kaliumhexacyanoferrat (II) überschönten Weine einen auffallenden Bittermandelgeruch, verursacht durch Blausäure (HCN), aufweisen und sich immer wieder blaugrün verfärben, besteht auch kaum Gefahr, dass sie getrunken werden.


Weitere Möglichkeiten zur Reduzierung des Metallgehaltes im Wein

1. Maskierung der Schwermetalle durch Bildung von löslichen Komplexverbindungen:

  • Insbesondere in Ländern des Mittelmeerraumes und anderen wärmeren Gebieten, in denen Weine mit hohem pH-Wert erzeugt werden.
  • Der Zusatz von Zitronensäure in einer Menge von 50-80 g/hl führt zu stabilen Komplexen, die eine Metallausfällung verhindern (gesetzlich maximaler Zitronensäuregehalt in abfüllfertigen Weinen ist 1g/l).
  • Diese Methode gibt jedoch keinen dauerhaften Schutz vor Ausscheidungen.


2. Verminderung des Gehaltes an Eisen(III)-Ionen durch Reduktion mittels Ascorbinsäure:

  • Ascorbinsäure verhindert eine Oxidation der Eisen(II)-Ionen zu Eisen(III)-Ion und damit die Bildung des weißen bzw. schwarzen Bruches.
  • Die Wirkung hält nur so lange an, bis die Ascorbinsäure durch Oxidation selber verschwunden ist.
  • Für Weine, die bald getrunken werden, bietet diese Methode einen ausreichenden Schutz gegen Eisentrübungen.
  • Kupfertrübungen werden jedoch von Ascorbinsäure gefördert, also sollte der Kupfergehalt unter 0,3 mg/l liegen.


3. Adsorption an unlösliche Stoffe:

  • Hefen und Kasein können zwar durch ihre Eiweißstruktur Schwermetalle adsorptiv binden, erreichen jedoch meistens nicht das gewünschte und erforderliche Ausmaß zur Senkung der Schwermetallionen.


4. Zusatz von Stoffen, die als Schutzkolloide wirken:

  • Eine solche Möglichkeit besteht nur bei der Kupfertrübung.
  • Gummi-Arabicum wurde schon früher in Frankreich eingesetzt und ist inzwischen ohne Mengenbegrenzung für die ganze Europäische Gemeinschaft zugelassen.
  • Die stabilisierende Wirkung (> 1 mg/l Cu) ist bei höheren pH-Werten besser und zeitlich begrenzt.


Verminderung jener Stoffe, die an der Bildung von Schwermetalltrübungen mitbeteiligt sind

Hauptsächlich geht es um Gerbstoff und Eiweiß:

  • Durch eine kräftige Mostlüftung entstehen durch enzymatische Oxidationsvorgänge aus einfachen Gerbstoffen hochmolekulare unlösliche, braune Verbindungen, die sich ausscheiden.
  • Da Eiweiß für die Ausscheidung der kolloiden Kupfertrübung notwendig ist, kann eine Bentonitschönung diese Bindungspartner dem Wein entziehen.
  • Diese Verfahrensweisen können jedoch allesamt nicht als Ersatz zur Blauschönung empfohlen werden, da sie nur eine begrenzte Metallstabilität bewirken.


Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Troost, G. (1988): Technologie des Weines (Handbuch der Lebensmitteltechnologie). 6., neubearbeitete Auflage, Ulmer-Verlag Stuttgart: 992 Seiten.

Literaturverzeichnis

  • Binder, G. (2013): Blauschönung. Abteilung Weinbau & Oenologie (Gruppe Oenologie), Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz, Neustadt an der Weinstraße.