Biegen

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Biegen nennt man das Befestigen des Fruchtholzes im Drahtrahmen. Dadurch sollen einerseits die Voraussetzungen geschaffen werden für eine gleichmäßige Verteilung der Sommertriebe in der Laubwand, andererseits soll das Biegen eine harmonische Saftverteilung gewährleisten, damit die über das ganze Fruchtholz verteilten Sommertriebe gleichmäßiges Wachstum aufweisen. Die Durchführung des Biegens richtet sich nach der gewählten Rebenerziehungsform (z. B. Ganz-, Halb-, Flachbogenerziehung). Bruchschäden sind möglichst zu vermeiden, da die verbleibenden Triebe sonst durch zu geringe Stockbelastung zu mastig wachsen und ungenügend ausreifen. Durchführung des Biegens bei feuchter Witterung verringert die Bruchgefahr.

Diese Seite beinhaltet eine Kurzübersicht zum Thema "Biegen". Eine ausführliche Behandlung der Thematik finden Sie hier.

Zweck

Das Biegen und Anbinden dient folgendem Zweck:

1. Befestigung des Fruchtholzes am Drahtrahmen

  • sorgt für dauerhafte Stabilität
  • Fruchtholz muss fest an den Drähten anliegen, so dass es kein Hindernis bei der Mechanisierung darstellt (Bogenteile dürfen nicht in die Gasse ragen)

2. Brechung der Apikaldominanz durch Abwärtsneigung (Halbbogen, Pendelbogen) oder Horizontalneigung (Flachbogen) der Fruchtrute (der so genannte Saftstau ist nichts anderes als die Brechung der Apikaldominanz, in der Rute staut sich kein Saft!).

3. Optimale Verteilung der Augen und damit der Sommertriebe im verfügbaren Standraum.

Ziel: Lücken schließen, Verdichtungen vermeiden

  • gute Belichtung und optimales Blatt-Frucht-Verhältnis (Langtriebe) realisieren
  • nicht übereinander gerten → Verdichtungen
  • nur ein Auge unter dem unteren Biegedraht stehen lassen (Halbbogen, Pendelbogen)

Bruchgefahr

Die Bruchempfindlichkeit der Ruten ist abhängig von der Stärke der Rute, der Sorte, dem Feuchtigkeitsgehalt des Holzes und der Holzreife → Vorsicht bei Beschädigungen (Hagelnarben) am Holz. Auch Krankheiten wie z. B. Reisigkrankheit (Viruskrankheit) können die Holzreife stark mindern.

Sorten mit elastischem Holz (geringe Bruchgefahr) sind: Burgundersorten, Schwarzriesling

Sorten mit mittlerer Bruchempfindlichkeit sind: Riesling, Silvaner, Regent, Chardonnay

Sorten mit sprödem Holz (hohe Bruchgefahr) sind: Kerner, Portugieser, Müller-Thurgau, Lemberger, Acolon, Dornfelder

Bei Problemsorten deshalb beachten:

  • bei Nässe/hoher Luftfeuchte binden
  • Ruten vor dem Biegevorgang seitlich drehen (Krächen)
  • „biegefreundlichen“ Rebschnitt durchführen: Eher tiefer stehende Ruten anschneiden (Stämmchen niedrig halten)
  • Rutenbasis sollte nach Möglichkeit bereits in Biegerichtung stehen

Material, Arbeitszeitbedarf, Kosten

Übersicht Arbeitszeiten und Materialkosten (€ ohne MwSt.) bei der Rutenbindung (Stand 2006)(Berechnet auf 4500 Stock/ha mit 2 Bogen/Stock); in Rot sind die neueren Geräte aufgeführt
Übersicht Bindeklammern und Bindedraht

Material und Geräte: Wickeldraht (Spulen), Papier- oder kunststoffummantelter Draht (Kordel oder Bündel), Kunststoff-/Drahtclips, Bindeweiden, Bindegeräte/Bindezangen (manuell oder elektrisch)

Der Arbeitszeitbedarf weist je nach Verfahren, Standraum, Sorte und Schnittbild, Bogenformierung, Anzahl der Ruten und Bindungen eine große Streubreite auf: von 15 bis 50 Akh/ha (ohne Stammbindungen). Eine deutliche Arbeitszeit- und damit Kosteneinsparung ist durch ein optimiertes Verfahren möglich.

Materialkosten: circa 20 bis 60 €/ha, je nach Material, eingesetzter Geräte und Anzahl der Bindungen

Biegetechnik und Bogenformierung

Möglichst über die Schnittstelle des alten Bogens biegen, um Einreißen zu vermeiden. Hangabwärts biegen, um gleichmäßigen Wuchs zu erreichen. Ruten benachbarter Rebstöcke nicht übereinander biegen. Rechtzeitiges Biegen (vor Knospenschwellen), um Knospenverluste zu vermeiden. Gleichzeitig mit dem Anbinden der Fruchtruten werden die Rebstämme am Pflanzpfahl oder Draht befestigt, was für Unterzeilenarbeiten und Maschinenlese wichtig ist.

Die Bogenformierung ist als Flachbogen, Halbbogen, Schrägbogen, Pendelbogen, flach auslaufender Halbbogen oder wellenförmig möglich.

Wird auf eine Bogrebe geschnitten, sollte folgendes beachtet werden: Am Steilhang bergab biegen bricht die Apikaldominanz, die Austriebsbereitschaft am Stamm wird gefördert. Bergauf biegen fördert am Halbbogen den aufrechten Triebwuchs.

Windoffene Lagen bei Ost-West-Zeilung sind problematisch (in der Regel weht der Wind aus Westen):

  • Bindung mit dem Wind (bei Westwind also gegen Osten biegen)

Triebe legen sich durch Windlast verstärkt horizontal, das gilt besonders für schwachrankende Sorten wie Schwarzriesling und Burgundersorten

  • Bindung gegen den Wind (bei Westwind also gegen Westen biegen):

Erhöhte Windbruchschäden möglich. Besonders windbruchempfindliche Sorten sind Dornfelder, Acolon, Portugieser, Müller-Thurgau, Kerner.

Flachbogen

Die Fruchtrute wird in der Regel flach auf den untersten Draht der Unterstützungsvorrichtung gelegt. Da die Stammhöhe etwa 10 cm unter der Höhe des unteren Biegdrahtes liegt, wird die Fruchtrute beim Anbinden steil nach oben gezogen, am Draht scharf gebogen und entweder am Draht entlang mehrmals angebunden oder um den Draht geschlungen mit einer Bindung am Rutenende. Es können eine oder zwei Fruchtruten angeschnitten werden, die Länge des Fruchtholz ist durch den Stockabstand begrenzt. Vorteilhaft ist das sehr gleichmäßige Triebwachstum und die sich ergebende schmale Traubenzone. Sorten mit sprödem Holz (z. B. Silvaner, Müller-Thurgau) dürfen wegen Bruchgefahr nicht zu scharf abgebogen werden. Außerdem ist es bei großer Wuchskraft der Reben sowie größeren Gassenbreiten schwierig, einen stärkeren Anschnitt zu realisieren.

Halbbogen

Die Fruchtruten werden über einen Überbiegdraht (oberer Biegdraht) geführt und am Anbindedraht (unterer Biegdraht) befestigt. Durch die Formierung eines Bogens können mehr Augen je Stock angeschnitten und in Drahtrahmen untergebracht werden als bei der Flachbogenerziehung. Es können eine oder zwei Fruchtruten angeschnitten werden, wobei die Fruchtholzlänge grundsätzlich vom Stockabstand zwar begrenzt, aber durch Veränderung des Abstandes der beiden Biegdrähte variiert werden kann. Diese Methode hat mehrere Vorteile:

  • Durch das Herunterbiegen der Fruchtrute wird die Dominanz der höher inserierten Augen abgeschwächt (Insertion), was zu gleichmäßigem Ertrag und ausgeglichenerer Qualität beiträgt.
  • Das Zielholz wird besser ausgebildet.
  • Beim Biegen der Ruten besteht geringere Bruchgefahr als bei der Flachbogenerziehung.
  • Die Stabilität der Laubwand ist durch den Vertikalverbund von Drahtrahmen und Tragholz höher als beim Flachbogen.

Daher eignet sich die Halbbogenerziehung ausgezeichnet für die mechanische Traubenlese. Aufgrund ihrer Vorzüge hat sich die Halbbogenerziehung im Spalier-Drahtrahmen in Deutschland zur wichtigsten Rebenerziehungsform entwickelt.

Pendelbogen

Als Pendelbogenerziehung bezeichnet man eine Halbbogenerziehung mit sehr langen Fruchtruten, die beim Anbinden am unteren Biegdraht mit ihrem Ende noch mehrere Augen nach unten über diesen Draht hinausragen. Sie wurde nach 1960 entwickelt, um bei zunehmenden Gassenbreiten bzw. Pflanzweiten aufgrund wachsenden Maschineneinsatzes die erforderliche Anschnittstärke realisieren zu können. Die Bezeichnung Pendelbogen wurde von Seiten der Weinbaupraxis gewählt, da die an diesen letzten Augen der Fruchtrute gebildeten Triebe mit ihren Trauben in der Art eines Pendels unterhalb des Anbindedrahtes zum Schwingen kommen können.

Ganzbogen

Die Ganzbogenerziehung ist die traditionelle Erziehungsart am Steilhang. Die Fruchtruten werden vom Stock in Bogenform wieder an die Unterstützungshilfe, den Pfahl, zurückgeführt und angebunden. Jeder Rebstock ist einzeln durch einen Pfahl unterstützt, Drahtverbindungen existieren nicht. Durch die langen Fruchtruten und die Möglichkeit, mehr als zwei Ruten im Kreis verteilt um den Pfahl anzuordnen, können beim Ganzbogen sehr viele Augen angeschnitten werden. In Verbindung mit den meist engen Standräumen in Steillagen sind leicht Augenzahlen von 15 bis über 20 Augen/m2 erreichbar und entsprechend hohe Erträge möglich. Problematisch ist hierbei, dass durch das notwendige Einkürzen der Sommertriebe, um die Anlage begehbar zu halten, ein niedriges Blatt-Frucht-Verhältnis die Folge ist und demgemäß nur bescheidene Reifegrade erreicht werden können. Außerdem ist ein enormer Handarbeitsaufwand für das Heften, Einkürzen und Ausgeizen erforderlich.

Weiterführende Links

Einzelnachweise


Literaturverzeichnis

  • Schumann, F. (1998): Weinbaulexikon. Meininger Verlag GmbH, Neustadt an der Weinstraße: 294 Seiten, ISBN 3-87524-131-2.