Unterlagen

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Als Unterlage wird bei gepfropften (veredelten) Pflanzen der Pflanzenteil bezeichnet, welcher nicht für die Produktion von Früchten bestimmt ist. Dies ist in der Regel die Wurzel und Teile des Stammes (mehrjährige Holzgewächse) oder Sprosses (veredelte Fruchtgemüsepflanzen wie Gurken oder Tomaten). Bei verholzenden Gewächsen bezeichnet man den aufgepfropften Pflanzenteil als Edelreis oder Edelsorte. Die Veredlung stellt eine wichtige Methode der vegetativen Vermehrung von wertvollen Kulturpflanzen, vor allem bei Obstbäumen dar. Bei Reben ist die Pfropfung praktisch die einzige Methode der kommerziellen Pflanzgutgewinnung. Die kommerzielle Pflanzgutgewinnung ist Aufgabe von Baum- und Rebschulen. Jungpflanzen werden in der Regel mit der so genannten Tischveredlung gewonnen, indem unbewurzelte verholzte Unterlagentriebe und einjährige verholzte Edelreistriebe durch spezielle Schnitte präpariert und dann verbunden werden. Daneben gibt es die Möglichkeit, verholzte Triebe auf grüne Triebe zu veredeln, die Grünveredlung und eine Standortveredlung im Freiland.

Rebunterlagen

Unterlagen sind seit der Antike bekannt. Bis in die Neuzeit verbesserte man damit unerwünschte Rebsorten im Weinberg oder man pfropfte kalkempfindliche Sorten auf weniger empfindliche für die Pflanzung auf kalkreiche Böden. Besondere Bedeutung gewann die Rebenveredlung mit der Einschleppung der Reblaus vom östlichen Nordamerika nach Europa um 1860. Durch reblausfeste Unterlagen wurde diesem bedeutendem Saugschädling an der Rebwurzel Einhalt geboten. Damit eine dauerhafte Verwachsung gelingt, müssen Edelreis und Unterlage nicht nur vom Querschnitt aufeinander abgestimmt, sondern auch biologisch kompartibel sein. Diese Eigenschaft wird auch als Affinität bezeichnet. Gewisse Edelsorten- und Unterlagenkombinationen zeigen eine höhere Affinität, als andere. Dies bestimmt zum einen den Anwuchs in der Rebschule, zum Anderen hat sie auch Auswirkungen im Weinberg auf die Langlebigkeit und den Ertrag. Neben einen guten phytosanitären Zustand (frei von Krankheiten, insbsondere Virus- und Bakterienkrankheiten) sollten die Veredlungspartner genügend ausgereift sein (Holzreife) und eine ausreichende Reservestoffeinlagerung aufweisen. Sowohl Unterlagen als auch die für die Veredlung infrage kommenden Edelreiser werden hierzu jährlich intensiv kontrolliert (Sortenechtheit, Schäden durch Krankheiten oder z. B. Hagelschlag) und selektioniert. Durch eine Markierung (rotes Kunststoffband) werden kranke oder ungeeignete Einzelreben von der weiteren Vermehrung ausgeschlossen. Die Gewinnung der Unterlagenreiser geschieht in so genannten Unterlagenschnittgärten, die nur der Gewinnung von Pflanzreben dienen. Hierfür gibt es spezielle Erziehungsformen (Tischerziehung, Staberziehung), die eine qualitativ hohe und rationelle Produktion erlaubt. Die Produktion von Unterlagen ist jedoch auch heute sehr aufwändig und viele Arbeiten wie das Ausgeizen und Aufbinden erfolgen händisch.

Historie der Unterlagen

Während man sich in Amerika teilweise bis heute mit reblauswiderstandsfähigen Wildreben, insbesondere der Art Labruska ('Isabella', 'Concord') behalf, war deren Verwendung in Europa wegen schlechter Weinqualität nur begrenzt möglich. Diese über Stecklinge vermehrten Reben werden auch als Direktträger bezeichnet, da die Wurzel und der traubentragende Stock quasi aus einem Stück sind. Auch Kreuzungen zwischen anderen amerikanischen Arten erwiesen sich als minderwertig und als Unterlage, z. B. wegen fehlender Kalkverträglichkeit, ungeeignet ('Herbemont', 'Noah', 'Clinton'). Erst die Verwendung der Vitis-Arten riparia, rupestris und Berlandieri als reine Art oder in Kreuzungen ermöglichte die Anpassung an die europäischen Bedingungen. Insbesondere die Kalkverträglichkeit der Berlandieri war, verbunden mit guter Wüchsigkeit und Holzreife der riparia, für Mitteleuropa entscheidend.

Enstehung der geeigneten Unterlagen

Die bei uns verwendeten Unterlagen stammen aus einer Fehllieferung von Berlandieri-Samen von Rességuier an Teleki in Ungarn im Jahre 1896. Freies Abblühen ergab eine vielfältige Befruchtung der Mutterstöcke. Teleki las in Villany die geeigneten Formen aus und über weitere Selektionen durch Kober, Dümmler, Börner, Birk, Bienstadt u. a. entstanden die Vitis berlandieri x Vitis riparia Unterlagen 5BB, S04, 125 AA, 5C, 8 B, Binova u.a. Die 26 G entstammt der Kreuzung Trollinger x Vitis riparia von Rudolf Goethe in Geisenheim. Sie spielt heute keine Rolle mehr, da durch den Europäereinfluss im Erbgut die Reblausfestigkeit nicht gegeben war.
Nach der Entdeckung unterschiedlich gefährlicher Reblausrassen durch Börner und der gegen die Reblaus völlig unanfälligen Rebenart Vitis cinerea Arnold wurde die ebenso unanfällige Unterlage Zuchtziel der Unterlagenzüchtung vor dem Krieg bis heute.

Unterlagenausschläge und Reblaus

So nützlich die Verdedlung als biotechnisches Verfahren zur Minderung der Reblausgefährdung auch beiträgt, das Gefahrenpotenzial schlägt um, wenn Unterlagsausschläge sich unkontolliert ausbreiten können. Werden Weinberge nicht mehr bewirtschaftet, so bildet sich bald ein "Teppich" aus Trieben und Unterlagen, es entsteht eine Driesche. Die Blattreblaus kann sich an grünen Unterlagentrieben wunderbar vermehren und auf bewirtschaftete Flächen ausbreiten. Daher müssen nach der Reblausverordung nicht mehr bewirtschaftete Weinberge komplett mit Wurzeln gerodet werden. Bilden sich an übersehenen Reben Unterlagentriebe, müssen diese nachträglich wieder mechanisch oder mit Herbiziden entfernt werden. Problematisch sind vor allem aufgelassene Weinbergsareale, die in absehbarer Zeit nicht mehr neu bestockt werden oder Parzellen, in denen die Rodung nicht vollständig erfolgt ist. Auch ehemalige Weinbergsflächen, die im Rahmen einer Neugestaltung bei der Flurbereinigung zu Ausgleichsflächen wurden (Straßenbegleitgrün, Böschungen) sind auf Unterlagenwuchs zu kontrollieren, um der Ausbreitung der Reblaus auf bewirtschaftete Flächen keinen Vorschub zu leisten. Eine Bekämpfung mit Herbiziden ist hier nur mit Ausnahmegenehigung möglich.

Klassifizierte Unterlagen für die Pfalz (Deutschland)

Von den vielfältigen Kreuzungen ist inzwischen für die Pfalz klassifiziert:

Neue Zuchtziele sind neben der Reblaustoleranz bzw. -resistenz bessere Kalk- und Trockenheitsverträglichkeit. Eine Nematoden- und Virusresistenz über Unterlagenzüchtung erwies sich bisher als nicht realisierbar.
Derzeit sind für den Anbau in der Pfalz klassifiziert:

In Prüfung sind weitere Sorten, neben neuerer Züchtungen z. B. aus Geisenheim und auch Unterlagen aus dem Mittelmeerraum.

Von den einzelnen Unterlagen gibt es auch Unterlagsklone.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Andor Teleki: Der Moderne Weinbau - Die Rekonstruktion der Weingärten, A. Hartleben’s Verlag, Wien und Leipzig 1927, 3. Auflage.
  2. Andor Teleki: Der Moderne Weinbau - Die Rekonstruktion der Weingärten, A. Hartleben’s Verlag, Wien und Leipzig 1927, 3. Auflage.
  3. Andor Teleki: Der Moderne Weinbau - Die Rekonstruktion der Weingärten, A. Hartleben’s Verlag, Wien und Leipzig 1927, 3. Auflage.
  4. Andor Teleki: Der Moderne Weinbau - Die Rekonstruktion der Weingärten, A. Hartleben’s Verlag, Wien und Leipzig 1927, 3. Auflage.

Literatur

  • Joachim Schmid, Frank Manty, Bettina Lindner: Geisenheimer Rebsorten und Klone, Geisenheimer Berichte 67, 2009, ISBN 978-3-934742-56-7
  • Hans Ambrosi, Bernd H. E. Hill, Erika Maul, Erst H. Rühl, Joachim Schmid, Fritz Schuhmann: Farbatlas Rebsorten, 3. Auflage, Eugen Ulmer, 2011, ISBN 978-3-8001-5957-4
  • Karl Bauer, Ferdinand Regner, Barbara Schildberger (2013): Weinbau. 9. Auflage. avBuch im Cadmos Verlag, Wien. ISBN 978-3-7040-2284-4
  • Hillebrand, Lott, Pfaff (1997): Taschenbuch der Rebsorten. Fachverlag Dr. Fraund. Mainz. ISBN ISBN 3-921156-27-0
  • Hillebrand, Lott, Pfaff (1989): Traube und Wein Deutschlands Rebsorten und Weine. Fachverlag Dr. Fraund. Mainz. ISBN ISBN 3-921156-04-1
  • Adams, K., Jakob, L. & F. Schumann (1997): Weinkompendium. 2. Auflage, Verein der Absolventen der Staatlichen Lehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft, Weinbau und Gartenbau, Neustadt an der Weinstraße: Artikel 409.1 - 409.2.