Traubenwickler

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Traubenwickler
Eupoecilia ambiguella, Lobesia botrana
Synonyme
Heuwurm, Sauerwurm, Süßwurm
Traubenwickler.jpg
Links: Einbindiger Traubenwickler, Rechts: Bekreuzter Traubenwickler
Systematik
Klasse Insekten
Insecta
Unterklasse Pterygota
Ordnung Schmetterlinge
Lepidoptera
Unterordnung Glossata
Überfamilie Tortricoidea
Familie Wickler
Tortricidae

In Deutschland kommen mit dem Einbindigen Traubenwickler (Eupoecilia ambiguella) und dem Bekreuzten Traubenwickler (Lobesia botrana) zwei verschiedene Arten vor, die regional unterschiedlich auftreten können. Der Einbindige Traubenwickler ist in allen deutschen Weinbaugebieten anzutreffen. Der Bekreuzte Traubenwickler findet sich vornehmlich in den südlicheren Weinbaugebieten, ist allerdings in den letzten Jahren auch in die nördlichen Weinbaugebiete vorgedrungen, was unter anderem mit der Klimaerwärmung in Zusammenhang gebracht wird.
Auch innerhalb einer Gemarkung kann das Auftreten von Lage zu Lage unterschiedlich sein. Flugzeiten und Flugintensität beider Arten können voneinander abweichen, so dass sich auch unterschiedliche Bekämpfungstermine ergeben können. Beide Arten entwickeln pro Jahr zwei Generationen (Heu- und Sauerwurm). In besonders warmen Jahren mit anhaltenden Wärmeperioden im Spätsommer/Herbst bildet vor allem der Bekreuzte Traubenwickler eine dritte Generation (Süßwurm). Aufgrund der bereits erwähnten Klimaerwärmung kann sich diese dritte Generation immer häufiger bis zum Puppenstadium fertig entwickeln und somit das Potenzial für die erste Generation im Folgejahr stellen.

Lebensweise und Schadwirkung

Ei eines Einbindigen Traubenwicklers (Schwarzkopfstadium)
vom Sauerwurm angebohrte Beeren

Die Überwinterung erfolgt als Puppe am Rebstock. Im April/Anfang Mai beginnt der Flug der ersten Faltergeneration. Die Hauptflugzeit ist der Mai. Die Flugdauer beträgt 2-5 Wochen. Während des Mottenfluges kommt es zur Begattung. 1-2 Tage danach erfolgt in der Regel die Eiablage an die Blütenkäppchen. Die Entwicklung der Larven im Ei ist temperaturabhängig und dauert beim Heuwurm durchschnittlich 10-12 Tage. Danach schlüpfen die etwa 1 mm großen Larven (Würmer) aus dem Ei. Im Verlauf ihrer weiteren Entwicklung häuten sie sich 4mal und erreichen im fünften Larvenstadium etwa 12 mm Länge, um sich dann nach etwa 25 Tagen Fraßtätigkeit meist im Bereich der Blütenstände zu verpuppen.

Die Larven fressen an den einzelnen Blütenständen des Gescheines und verspinnen die Einzelblüten. Nach der Puppenruhe beginnt ab Ende Juni/Anfang Juli der Mottenflug der zweiten Generation. Die Eier werden dann in der Regel einzeln an den Beeren abgelegt. Nach durchschnittlich 6-8 Tagen schlüpfen die jungen Larven und bohren sich in die Beerchen ein. Nach 3- bis 4-wöchiger Fraßtätigkeit suchen die Larven zwischen der Borke der Rebstämme oder in anderen geeigneten Verstecken ihre Winterquartiere auf, wo sie sich verpuppen. Das Ausmaß des durch den Heuwurm (1. Larvengeneration) und Sauerwurm (2. Larvengeneration) verursachten Schadens hängt in entscheidendem Maß von der Folgewitterung und dem Folgebefall durch Botrytis ab. Bei anhaltend trockener Witterung kommt es kaum zu einem Sekundärbefall durch Botrytis. Bei anhaltend feuchter Witterung kann jedoch bereits ein relativ geringer Heu- oder Sauerwurmbefall zu massiven Schäden führen. Die Schadensschwellen gehen von dem ungünstigeren Fall aus.

Ermittlung der Flugaktivität

Pheromonfallen für Männchen des Einbindigen Traubenwicklers
Pheromonfalle mit austauschbarem Leimboden

Zunächst ist es erforderlich festzustellen, wann in etwa mit dem ersten Auftreten des Traubenwicklers zu rechnen ist. Hierzu wird der Falterflug überwacht. Man verwendet Pheromonfallen, die vor dem Flugbeginn der ersten Faltergeneration etwa Mitte April in Höhe der Traubenzone im Weinberg aufgehängt werden. Eine Pheromonfalle besteht aus einem Kunststoffgehäuse mit einem austauschbaren Leimboden. Unter dem Dach der Falle wird eine Kapsel montiert, in der sich das künstlich hergestellte Sexualpheromon des Traubenwicklerweibchens befindet.

Das Sexualpheromon ist ein artspezifischer Duftstoff, den das Traubenwicklerweibchen aus speziellen Drüsen nach außen abgibt, um das Männchen zur Begattung anzulocken. Es werden nur die Männchen der gleichen Art angelockt. Entsprechend muss sowohl für den Einbindigen als auch für den Bekreuzten Traubenwickler je eine Falle montiert werden.
Nimmt das Männchen den Duftstoff wahr, fliegt es in Richtung zunehmender Konzentration des Duftstoffes und findet so das Weibchen. Bei der Pheromonfalle macht man sich diesen Vorgang zunutze. Die Männchen bleiben auf dem Leimboden kleben und können gezählt werden (Kontrolle 3 x wöchentlich in regelmäßigen Abständen). Stellt man die Flugzahlen graphisch dar, so ergibt sich eine Flugkurve mit einem oder mehreren Flughöhepunkten. Man geht allgemein davon aus, dass zur Zeit des Flughöhepunktes auch die meisten Begattungen stattfinden und in einem gewissen zeitlichen Abstand vom Flughöhepunkt die meisten Eier abgelegt werden. Allerdings können verschiedene Faktoren diesen Ablauf beeinflussen:
Männchen und Weibchen entfalten nicht immer die gleichen Flugaktivitäten. In der Regel schlüpfen die Männchen vor den Weibchen aus den Puppen und fliegen dementsprechend einige Tage früher. Die Flugintensität ist unter anderem auch witterungsabhängig: So kann z.B. bei kühler Witterung der Flug deutlich abnehmen und erst bei besseren Witterungsbedingungen wieder ansteigen. Dies hat häufig eine verlängerte Flugperiode zur Folge. Auch sind die Weibchen in der Lage, die Eiablage zum Beispiel bei Regen hinauszuzögern. Generell lässt sich aus der Anzahl der gefangenen Männchen keine konkrete Aussage darüber treffen, wie viele Larven später auftreten. Man erhält mit den Männchenfängen allerdings wertvolle Informationen über die im Gebiet vorhandene Populationsstärke. Häufig ist allerdings bei starkem Männchenflug auch mit einem nennenswerten Befall zu rechnen.
Die weitere Eientwicklung ist witterungsabhängig. Als durchschnittliche Zeitspanne von der Eiablage bis zum Schlupf der Larven werden beim Heuwurm ca. 8 bis 12 Tage und beim Sauerwurm ca. 6 bis 8 Tage angegeben. Dies ist allerdings nur ein grober Anhaltspunkt und unterliegt in der Praxis großen Schwankungen, wobei die Zeitspanne der Larvenentwicklung bei kühler Witterung eher länger und bei warmer Witterung eher kürzer wird. Selbst wenn sich nach der angegebenen Zeit erste Würmer zeigen, muss das nicht auch die Hauptmasse der Würmer sein. Zur Bestimmung des richtigen Einsatzzeitpunktes von Insektiziden sind deshalb Bestandskontrollen unerlässlich.
Zusätzlich zu Pheromonfallen können auch Gläser mit Köderflüssigkeit (94% Wein, 4% Essig und 2% Zucker) verwendet werden. Die Gläser sollten mit einem geeigneten Gitter abgedeckt werden, um unnötige Beifänge zu reduzieren. Die Kontrolle sollte täglich erfolgen. Bei Regen, starker Verdunstung und/oder starker Verschmutzung muss die Köderflüssigkeit erneuert werden. Gefangen werden mit dieser Methode Männchen und Weibchen.


Befallsregulation

Neben der indirekten biologischen Bekämpfung durch Schonung und Förderung von Nützlingen, wie Spinnen, Schlupfwespen und Raupenfliegen bieten sich mehrere Bekämpfungsmöglichkeiten an.

Pheromonverfahren (Verwirrungsverfahren, Konfusionsmethode)

Pheromondispenser sollten im Bereich der abgehenden Bogrebe befestigt werden
Pheromondispenser an einer Rebe

Mittels Sexuallockstoffen (Pheromonen) kann eine biotechnische Bekämpfung durchgeführt werden. In den behandelten Rebflächen werden in definierter Dichte Pheromonquellen (Pheromondispenser) aufgehängt, die eine Pheromonwolke aufbauen und die Duftspuren der Weibchen überlagern. Die Männchen sind desorientiert und kaum noch in der Lage, die Weibchen zu finden (Konfusionsmethode). Damit wird die Anzahl der Begattungen und letztlich die Zahl der Würmer reduziert. Zu behandelnde Rebflächen sollten ein geschlossenes Areal von mindestens 4 Hektar bilden. Empfehlenswert sind größere, zusammenhängende Flächen von 10 Hektar und mehr. Bei Rebflächen in isolierter Lage liegt die Mindestgröße bei etwa einem Hektar in möglichst quadratischer Form. Pro Hektar werden etwa 500 pheromonhaltige Kunststoffdispenser gleichmäßig verteilt (Raster: 1 Pheromondispenser/20 m2), indem sie an die Bogruten gehängt werden. Die Dispenser verdunsten den Lockstoff über einen Zeitraum von etwa 3 Monaten. Um den Einflug begatteter Weibchen aus der Umgebung und das Verwehen der Pheromonwolke im Außenbereich der Behandlungsfläche zu verhindern, ist eine zusätzliche Randbehandlung durchzuführen. Das Aushängen der Ampullen erfolgt im April unmittelbar vor dem voraussichtlichen Beginn des Falterfluges der ersten Generation. Der optimale Termin ist mit dem amtlichen Dienst abzustimmen.
Die Wirksamkeit des Verfahrens ist in Absprache mit den staatlichen Beratungsstellen und den Vorgaben der Förderrichtlinien mehrfach zu kontrollieren. Sollte wider Erwarten die Zahl der abgelegten Eier (1. Generation) die Schadensschwelle überschreiten, kann ein zugelassenes Traubenwicklerinsektizid eingesetzt werden. In finanziell geförderten Anwendergemeinschaften muss hierfür ein Antrag gestellt und von der zuständigen Behörde genehmigt werden. In finanziell geförderten Pheromonprogrammen z. B. in Rheinland-Pfalz kann bei den zuständigen Behörden außerdem eine Sondergenehmigung für einen Insektizideinsatz beantragt werden, wenn während einer Generation mehr als 10 Falter in einer Pheromonfalle gefangen werden.Das Verfahren weist verschiedene Vor- und Nachteile auf: Das Verfahren ist umweltfreundlich, weil es die biologische Bekämpfung unterstützt. Die Bestimmung des richtigen Einsatzzeitpunktes bereitet keine Schwierigkeiten.
Das Verfahren ist nur in größeren zusammenhängenden Flächen sinnvoll einzusetzen, daher kommt in der Regel nur gemeinschaftliche Ausbringung in Frage. Dies erfordert einen gewissen organisatorischen Aufwand.

Laut Förderrichtlinie müssen die alten Pheromondispenser von den Rebstöcken entfernt werden, bevor die neuen Dispenser für die bevorstehende Vegetationsperiode aufgehängt werden. Weitere Einzelheiten zum Einsatz von Pheromonen sind der Gebrauchsanleitung der zur Verfügung stehenden Mittel (z. Zt. RAK 1 Neu gegen den Einbindigen Traubenwickler und RAK 1 + 2 M gegen den Einbindigen und den Bekreuzten Traubenwickler) zu entnehmen.


Einsatz von Bacillus thuringiensis-Präparaten

Bei Bacillus thuringiensis-Präparaten (B.t.) handelt es sich um Insektizide auf biologischer Basis. Sie müssen von den Traubenwicklerlarven aktiv beim Fressen aufgenommen werden (Fraßwirkung). Die im Weinbau angebotenen B.t.-Präparate wirken selektiv auf Schmetterlingsraupen und sind sowohl nützlings- als auch umweltschonend. B.t.-Präparate sind unmittelbar vor dem Schlupf der Larven auszubringen, damit der Wirkstoff vorliegt, wenn die Larven mit ihrer Fraßtätigkeit beginnen. Der Schlupf der Larven steht kurz bevor, wenn das Schwarzkopfstadium erreicht ist, d. h. wenn der Larvenkopf durch die Eihülle zu erkennen ist.

Der Zeitpunkt “kurz vor Schlupf” der Larven ist beim Heuwurm für den Praktiker nur schwer zu ermitteln. Beim Sauerwurm ist es mit einiger Übung möglich, das Schwarzkopfstadium zu erkennen. Gegebenenfalls ist der amtliche Rebschutzdienst zu befragen oder eine der regelmäßig angebotenen Traubenwickler-Ei-Schulungen zu besuchen.
Die Wirkungsdauer der B.t.-Präparate beträgt etwa 8-10 Tage. Bei längerer Flugdauer und damit verzetteltem Auftreten der Würmer ist die Behandlung pro Generation gegebenenfalls zu wiederholen. Bei der Bekämpfung der zweiten Generation wird empfohlen, dem Mittel 1% Zucker zuzusetzen. Dies erhöht die Fresslust der Traubenwicklerlarven und kann das allzu frühe Einbohren der Würmer verzögern, so dass mehr Wirkstoff aufgenommen wird.

Einsatz von konventionellen Insektiziden

Bei konventionellen Insektiziden unterscheidet man nach dem Einsatzzeitpunkt:

  • Mittel mit ovizider Wirkung (= eiabtötende Wirkung)
  • Mittel mit Dauerwirkung
  • Mittel mit Dauer- und Tiefenwirkung
  • Mittel mit Tiefenwirkung
  • „vorbeugend“ einzusetzende Mittel

Ovizide Mittel müssen bereits bei Beginn der Eiablage eingesetzt werden. Eier, die älter als 36 Stunden sind, werden nicht mehr geschädigt, d.h. der Spritzbelag muss bereits vorhanden sein, wenn die Eier auf den Blüten/Beeren abgelegt werden. Derzeit sind keine oviziden Wirkstoffe im deutschen Weinbau zugelassen. Zu den Mitteln mit Dauerwirkung gehören B.t.-Präparate und so genannte Entwicklungsbeschleuniger. Sie werden kurz vor Beginn des Larvenschlupfes ausgebracht. Sie haben nur eine schwach ausgeprägte Tiefenwirkung. Mittel mit Dauer- und/oder Tiefenwirkung sind im deutschen Weinbau nicht mehr zugelassen: ME 605 Spritzpulver und Ultracid 40 haben seit 2003 ein Anwendungsverbot!
Wichtig und für eine optimale Wirkung gegen die Traubenwicklerlarven unbedingt notwendig ist, dass alle derzeit im deutschen Weinbau zugelassenen Traubenwicklerinsektizide vorbeugend vor dem Schlupf der Masse der Larven ausgebracht werden müssen. Nur so nehmen die Larven beim Schlupf aus dem Ei und beim Fressen an den Blüten/Beeren genügend Wirkstoff auf und werden abgetötet. Aktuelle Zulassungssituation aus PS Info (www.rebschutz.de)

Arbeitswirtschaftlich wünschenswert ist es, den Insektizideinsatz gegen die Traubenwickler mit den Fungizidbehandlungen gegen Peronospora und Oidium zu kombinieren. Dies ist leider nicht immer möglich, da sich die optimalen Ausbringzeitpunkte nur selten decken. Beim separaten Einsatz von Insektiziden zur Sauerwurmbekämpfung bietet sich deshalb die Applikation in die Traubenzone an. Werden nützlingsschädigende Insektizide eingesetzt, erstreckt sich der nützlingsschädigende Effekt zumindest nicht auf die ganze Laubfläche. Der zusätzliche Arbeits- und Kostenaufwand einer gesonderten Applikation in die Traubenzone wird zumindest teilweise durch die Einsparung an Mittelkosten wieder ausgeglichen.

Einzelnachweise


Literaturverzeichnis

  • B. Altmayer, J. Eichhorn, B. Fader, A. Kortekamp, R. Ipach, U. Ipach, H.-P. Lipps, K.-J. Schirra, B. Ziegler (2013): Sachkunde im Pflanzenschutz (Weinbau). 8. überarbeitete Auflage. Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, Abteilung Phytomedizin. Neustadt an der Weinstraße.