Simonit & Sirch - Preparatori d'uva

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Die Methode „Simonit & Sirch - Preparatori d´uva“ ist auch unter der Bezeichnung „Sanfter Rebschnitt nach Simonit & Sirch“ bekannt.

Sanfter Rebschnitt

Hinter den Namen Simonit & Sirch stehen die Ideengeber der Firma, Marco Simonit und Pierpaolo Sirch, zwei Agronomen aus dem Friaul. Nach einem großflächigen Rebstocksterben im Friaul in den 1980iger Jahren haben beide die neue Methode aus bestehenden Schnitttechniken entwickelt und über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren so modifiziert, dass die Methode auch in der Spaliererziehung angewendet werden kann. Die Idee haben sich die beiden Firmeninhaber bei sehr alten Rebbeständen abgeschaut, die nach dem Bock- oder Kopfschnitt, auch Gobelet-Erziehung genannt, über mehrere Jahrzehnte kultiviert wurden. Dabei wurde stets auf junges Holz geschnitten, wodurch die Entwicklung durch Verzweigung des Hauptstammes gefördert wird, ohne dabei alte, vitale Teile des Stockes zu entfernen. Diese alten Rebstöcke zeigten keine erkennbaren Anzeichen von Holzerkrankungen und man konnte sie als wahre „Methusalems“ unter den Reben bezeichnen. Heutzutage sind die Winzer durch die Zunahme von Holzerkrankungen wie Esca oder Eutypiose oftmals gezwungen, die Umtriebsplanung ihrer Flächen zu verkürzen, wenngleich schon lange bekannt ist, dass gerade ältere Rebbestände aus oenologischer Sicht sehr wertvoll sind. Die daraus gewonnenen Weine zeichnen sich aufgrund des erhöhten Altholzanteiles durch eine hohe Mineralik aus. Die Esca-Erkrankung an der Rebe tritt in allen deutschen Anbaugebieten auf und führt aufgrund von Stockausfällen in der Weinwirtschaft zu einem großen wirtschaftlichen Schaden. Bisher gibt es noch keine direkte Möglichkeit der Bekämpfung bzw. Vermeidung der Krankheit. Einzig die sogenannte Stammsanierung, bei der durch einen Rückschnitt über dem Pfropfkopf der Stamm neu aufgebaut wird, kann die Lebensdauer der Rebe verlängern. Mittlerweile werden bei der Entstehung von Esca oder Eutypiose die Schnitthäufigkeit bzw. große Schnitte im mehrjährigen intakten Holz als Eintrittspforte der bodenbürtigen Pilze als mögliche Ursache für das Auftreten diskutiert. Wird mehrjähriges Holz, bei dem regelmäßig ins alte Holz geschnitten wurde, der Länge nach geteilt, sieht man im Stamminneren große Teile abgestorbenen Holzes. Je größer die Schnittfläche ist, desto größer ist der Anteil abgestorbenen Holzes. Gleichzeitig zeigen diese Reben äußerlich keine Auffälligkeiten und präsentieren sich zunächst in einer normalen Wüchsigkeit und Vitalität. Es liegt nahe, dass der Saftfluss im Holzkörper und somit die Nährstoffversorgung dieser Reben gestört ist. Dazu erscheint das kurzfristige Absterben befallener Stöcke in den Sommermonaten als logische Konsequenz. Um ein effizientes saftführendes Leitungsbahnsystem zu erhalten, muss die Rebe im Stamminneren durchgehende Bahnen ausbilden können, die nicht durch abgestorbenes Holz zur Versorgung des oberirdischen Aufwuchses behindert werden. Im Vergleich dazu zeigen Reben, bei denen immer nur ein- bis maximal zweijähriges Holz geschnitten wurde, einen vollkommen gesunden Holzkörper (SIMONIT 2014). Daraus lässt sich ableiten, dass hier holzzerstörende Pilze kaum Angriffsmöglichkeiten erhalten und somit ausgegrenzt werden könnten. Die Rebe ist im Vergleich zu vielen anderen verholzenden Gewächsen wie beispielsweise Obstbäumen so gut wie nicht in der Lage, Verletzungen am Holzkörper zu überwallen. Im Gegensatz zu vielen anderen Holzpflanzen kann die Rebe Wunden nicht durch Überwallen schließen, sondern riegelt sie im Inneren durch Thyllen (Ausstülpungen lebender Parenchymzellen in die Gefäße) und anschließende Einlagerung von Lignin und Gerbstoffen in die Zellwände ab (MOHR et al. 2005).

Die vier Maxime

Das Grundprinzip des Schnittsystems besteht darin, nur ein- bis maximal zweijähriges Holz zu schneiden und dabei den neu angeschnittenen Trieb immer an der Basis des Zapfens des Vorjahres zu belassen. Gleichzeitig wird ein Zapfen auf der entgegengesetzten Seite des Stammkopfes angeschnitten. Zapfen und Anschnittruten haben somit Anschluss an bereits entwickelte Leitgefäße und stehen immer am selben Vegetationskegel, der über die Jahre mit dem Dickenwachstum eine astförmige Fortführung des Rebstammes bildet. Um ein senkrechtes Hochbauen des Stockes zu vermeiden, sollte der Altholzzuwachs möglichst seitlich oder schräg nach oben in T-Form erfolgen. Simonit & Sirch sprechen von der sogenannten „Ramifikation“ (Astwerdung). Durch das horizontale Wachstum wird das Hochbauen des Stockes vermieden und es kann auf einen Verjüngungsschnitt verzichtet werden. Wird dennoch altes Holz angeschnitten, kommt es zu einer Beeinträchtigung der Leitungsbahnen bzw. abgestorbenen Bereichen im Stammquerschnitt (sogenannten Austrocknungskegeln). Durch die Vermeidung von großen Schnittwunden sollen holzzerstörende Pilze beim Einwachsen gehindert werden. Der im Vorjahr angeschnittene Zapfen wird im Folgejahr nachgeschnitten und im Laufe der weiteren Stockentwicklung überwallt. Grundsätzlich wird beim Schnitt von zweijährigem Holz ein kleiner Überstand belassen, der erst nach Eintrocknung in den Folgejahren abgeschnitten wird. Die neue Schnittmethode muss ganzheitlich betrachtet werden und beschränkt sich nicht nur auf den Rebschnitt. Bereits bei der Pflanzung findet mit der Auswahl des richtig positionierten Sommertriebes der spätere Stockaufbau Beachtung. Gleiches gilt für sämtliche Ausbrecharbeiten während der Vegetationsperiode (SIMONIT 2014). Die Methode wurde in den letzten Jahren nochmals von Simonit & Sirch modifiziert. Bisherige Publikationen über den „Sanften Rebschnitt“ (HAFNER et al. 2009; RAIFER 2009; SCHIEFER 2013) sind teilweise nicht mehr aktuell bzw. stimmen mit den Ausführungen der beiden Ideengeber teilweise nicht mehr überein (z.B. das Biegen der Fruchtrute über den Zapfen, die Länge des Zapfens usw.).

Etablierung im Weinberg: Vom Pflanzjahr bis zur mehrjährigen Anlage

Bereits bei der Pflanzung von Pfropfreben wird auf die Stellung des Edelreiszapfens geachtet. Dieser sollte mittig in die Rebzeile zeigen. Dies gelingt allerdings nur bei einer Pflanzung per Hand. Über Sommer wird auf zwei Triebe ausgebrochen, ausgegeizt und aufgeheftet. Zumindest ein Sommertrieb sollte sich unterhalb des Schnittes, der bereits nach dem Ausschulen in der Rebschule vorgenommen wurde, befinden. Je nach Wüchsigkeit der Anlage wird im Winter beim Rebschnitt individuell vorgegangen. In schwachwüchsigen Anlagen wird auf einen zweiäugigen Zapfen zurückgeschnitten. Dabei wird darauf geachtet, dass der Zapfen im Saftfluss steht und nicht durch Schnittwunden beeinträchtigt wird. Bei starkwüchsigen Reben wird bereits auf Stammhöhe knapp über dem untersten Biegedraht angeschnitten. Beim Ausbrechen im Sommer werden, ähnlich wie beim herkömmlichen Stockaufbau, die obersten vier Sommertriebe stehen gelassen. Beim Rebschnitt wird der oberste Trieb als Fruchtrute angeschnitten. Die beiden unteren Triebe werden auf zwei- bis dreiäugige Zapfen zurückgeschnitten und sollen später die beiden „Ausgänge“ darstellen. Ideal wären beide auf ähnlicher Höhe positioniert, was wiederum von der Internodienlänge der jeweiligen Rebsorte beeinflusst wird. Bei den Ausbrecharbeiten im Frühjahr/Sommer muss darauf geachtet werden, dass alle Sommertriebe der Zapfen belassen werden. Beim Rebschnitt wird dann auf einer Seite des Kopfes am entsprechenden Zapfen über den Fruchttrieb aus dem ersten sichtbaren Auge (Auge muss nach unten positioniert sein) der nächste Zapfen für das kommende Jahr fortgeführt. Auf der Gegenseite wird der untere Teil wieder als Zapfen fortgeführt, der obere Teil wird als Fruchtrute angeschnitten. Die Fruchtrute steht grundsätzlich immer über dem Zapfen. Die Zapfenlänge wird abhängig gemacht von der Positionshöhe des „Ausgangs“ (= etablierter Zapfen) sowie der Stellung der Winteraugen. Längere Zapfen erhöhen den Saftstrom im Rebstock und übernehmen eine „Pumpenfunktion“ (TURATA, persönliche Mitteilung 2015). Dabei kann es durchaus vorkommen, dass drei bis fünfäugige Zapfen angeschnitten werden. Durch die Weiterführung dieses Systems wird man der einen Maxime des sanften Rebschnitts, der sogenannten „Ramifikation“, nach wenigen Jahren gerecht. Es spielt keine Rolle, ob die Fruchtrute immer auf der gleichen Seite angeschnitten wird, da eh auf beiden Seiten stets ein Zapfen angeschnitten wird. Dies kann von Fall zu Fall entschieden werden. Wichtig ist die konsequente Beibehaltung von Zapfen und Fruchtrute auf gleicher horizontaler Höhe. Somit kann es nicht zu einem Hochbauen des Stockes kommen und ein Verjüngungsschnitt mit großen Wunden ist nicht mehr erforderlich. Das System kann auch, abhängig vom Ertragsziel, beim Anschnitt von zwei Fruchtruten etabliert werden. Dabei werden beidseitig Zapfen angeschnitten, über denen jeweils beide Fruchtruten positioniert werden. Selbst für die Kordonerziehung, bei der kurze Zapfen am Halb- oder Flachbogen angeschnitten werden, kann die neue Rebschnittmethode verwendet werden.

Umstellung von Altanlagen

Bei einer Umstellung müssen verschiedene Ausgangszenarien individuell betrachtet werden.

Neben zwei Versuchsanlagen am DLR Rheinpfalz wird die neue Rebschnittmethode bereits in einigen Weinbaubetrieben deutschlandweit eingesetzt. Mitarbeiter der Fa. Simonit & Sirch betreuen die Betriebe vor Ort beim Rebschnitt sowie bei den Ausbrecharbeiten. Je nach Alter, Rebsorte und Wüchsigkeit ergeben sich völlig unterschiedliche Ausgangssituationen an den Rebstöcken, die ein individuelles Vorgehen beim „sanften Rebschnitt“ erfordern:
„Rebstock ohne Ausgang“, „einseitiger Ausgang“, „zweiseitiger Ausgang“.

In der eigenen Versuchsanlage wurden im dritten Versuchsjahr folgende Umstellungsmodi festgehalten (Bonitur 11/2015):


Zweiseitige Umstellung (zwei Zapfen im Saftfluss):

  • Zwei Ausgänge, wobei eine potentielle Fruchtrute nicht ausgetrieben ist
  • Ein Ausgang, an dem kein Austrieb stattgefunden hat (potentielle FruchtruZwei Ausgänge mit je einer potentiellen Fruchtrute/Zapfen
  • Zwei Ausgänge, wobei ein potentieller Zapfen nicht ausgetrieben ist
  • Zwei Ausgänge, wobei beide potentiellen Fruchtruten nicht ausgetrieben sind
  • Zwei Ausgänge, wobei beide potentiellen Zapfen nicht ausgetrieben sind
  • Zwei Ausgänge, wobei potentielle Fruchtrute sowie Zapfen an einem Ausgang nicht ausgetrieben sind
  • Zwei Ausgänge, wobei potentielle Fruchtrute bzw. Zapfen an einem der beiden Ausgänge nicht ausgetrieben sind
  • Zwei Ausgänge, wobei potentielle Fruchtruten an beiden Ausgängen sowie Zapfen an einem Ausgang nicht ausgetrieben sind
  • Zwei Ausgänge, wobei potentielle Zapfen an beiden Ausgängen sowie potentielle Fruchtrute an einem Ausgang nicht ausgetrieben sind
  • Zwei Ausgänge, wobei potentielle Fruchtruten sowie Zapfen an beiden Ausgängen nicht ausgetrieben sind


Einseitige Umstellung (ein Zapfen mit Saftfluss):

  • Ein Ausgang mit einer potentiellen Fruchtrute/Zapfen
  • Ein Ausgang, an dem die potentielle Fruchtrute nicht ausgetrieben ist
  • Ein Ausgang, an dem der potentielle Zapfen nicht ausgetrieben ist


Ohne Umstellung (kein Zapfen im Saftfluss):

Bei Rebstöcken ohne potentiellen Ausgang muss bei den Ausbrecharbeiten im Sommer darauf geachtet werden, dass beidseitig im Kopfbereich möglichst unterhalb von bestehenden Totholzeintrocknungen zwei Triebe belassen werden, die im Winter als zukünftige Zapfen zurückgeschnitten werden können. Damit wird der Grundstein für zwei Ausgänge gelegt, die im Saftfluss stehen und nicht durch Eintrocknungskegel im mehrjährigen Holz beeinträchtigt werden. Die anzuschneidende Fruchtrute wird in diesem Fallbeispiel auf dem zweijährigen Bogen des Vorjahres angeschnitten. Damit baut sich der Stock zwar noch weiter hoch, kann aber nach der Etablierung der beiden neuen Ausgänge in den Folgejahren wieder zurückgeschnitten werden. Liegt im Sommer bereits auf einer Seite ein im Saftfluss stehender und damit richtig positionierter Fruchttrieb vor, kann dieser im Winter auf einen zweiäugigen Zapfen zurückgeschnitten werden. Die Grundlage für einen neuen einseitigen Ausgang ohne Beeinträchtigungen ist damit geschaffen worden. Der Aufbau des Stockes kann nach der oben beschriebenen Methode weiter fortgeführt werden Bei Stöcken mit beidseitig richtig positionierten Sommertrieben kann nach dem gleichen Schema verfahren werden. Eine ähnliche Vorgehensweise ergibt sich bei Stöcken, bei denen bereits große Schnittwunden verursacht bzw. ganze Stammteile entfernt wurden (Stockverjüngung). Hierbei wird versucht, einen ein- oder zweiseitigen neuen Ausgang unterhalb der großen Schnittwunde zu etablieren. Deshalb sollte beim Ausbrechen darauf geachtet werden, dass ein Sommertrieb unterhalb der Schnittwunde genutzt wird, der im Winter wieder auf einen Zapfen zurückgeschnitten wird. Damit kann wieder nach gleichem Prinzip vorgegangen werden. Selbst an komplett zurückgeschnittenen Reben nach einer Stammsanierung („Reset-Methode“), z.B. nach einer Esca-Sanierung, kann die neue Rebschnittmethode angewendet werden. Sobald an der Stammbasis ein Sommertrieb gewachsen ist, kann dieser im Winter auf einen Zapfen zurückgeschnitten werden. An dem Zapfen wird der neue Ausgang etabliert, ohne dass der Saftfluss durch Austrocknungskegel im Altholz beeinflusst ist. Das Umstellungsprozedere wird derzeit am DLR Rheinpfalz im Rahmen eines ATW-Forschungsvorhabens in einer älteren, siebenjährigen Riesling-Anlage geprüft. Bisher lag die Umstellungsquote mit zwei Ausgängen mit Fruchtrute bzw. Zapfen bei nur 14,3%. In den meisten Fällen konnte allerdings eine Teilumstellung umgesetzt werden bzw. es konnte nur einseitig am Stock ein erfolgreicher Ausgang mit Zapfen und Fruchtrute etabliert werden.





Quellen

Becker, A., Götz, G. & F. Rebholz (2012): Rebschnitt. Weintrauben und Tafeltrauben richtig schneiden.. Ulmer Verlag. 


Hafner, P., Feichter, M.& F.Sinn, F. (2009): Wundenarmer Rebschnitt. Obstbau Weinbau 11. 381-383 Seiten. 


Götz, G. Das Deutsche Weinmagazin (Hrsg.) (2013): Der Rebschnitt II. Chirurgische und prophylaktische Maßnahmen.. 26. 16-21. 


Raifer, B. Südtiroler Landwirt (Hrsg.) (2009): Auf den Rebschnitt kommt es an. Sanfter Rebschnitt für alterungsfähige, gesunde Reben und hohe Traubenqualität.. Nr. 23. 59-60. 


Schiefer, H.C. Rebe und Wein (Hrsg.) Der Sanfte Rebschnitt - Eine Südtiroler Methode. Nr. 01. 30-32. 


Simonit, M. & P. Sirch L Ínformatore Agrario (Hrsg.) (2009): Potatura soffice contro il dperimento die vigneti. 36. 42 – 46. 


Simonit, M. & P. Sirch L Ínformatore Agrario (Hrsg.) (2009): Potatura secca della vite, tagliare solo legno giovane.. Nr. 36. 48-54. 


Simonit, M. Edizioni L`Informatore Agrario (Hrsg.) (2014): Manuale di potatura della vite Guyot. Verona.