Ertragsregulierung

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Eine Ertragsregulierung kann notwendig sein, wenn auf leistungsstarken Standorten bei hochertragsfähigen Rebsorten und Klonen oder in Jahren mit idealen Ertragsvoraussetzungen die gesetzlich zulässigen Hektarhöchsterträge weit überschritten werden. Dabei sollten sowohl die Reduzierung des Ertrages als auch die Sicherung oder Steigerung der Erntegutqualität gleichermaßen angestrebt werden. Langfristig wirksame Methoden, wie die Erweiterung des Standraumes oder ertragsschwächere Klone, werden wohl nur im extremen Einzelfall zur Anwendung kommen. Üblich ist die Ertragsregulierung durch Anpassung der Anschnittstärke sowie direkte Ertragsreduzierung durch Entfernen von Trauben (Ausdünnen, Teilentfruchten). Mengenertragsmindernd wirkt in aller Regel auch das Hinauszögern des Lesetermins, da es zu Fäulnis und Wasserverdunstung durch poröse Beerenhaut kommt (Schumann, F. (1998): Weinbaulexikon. Meininger Verlag GmbH, Neustadt an der Weinstraße: 294 Seiten, ISBN 3-87524-131-2).


Beerenwelke bei Stocküberlastung

Ein typisches Überlastungssymptom ist die Beerenwelke, dass also Beeren oder ganze Trauben „lahm“ werden und von der Versorgung über den Zuckerstrang (Phloem) abgeschnitten sind. Die betroffenen Beeren bleiben durch Aufkonzentrierung der unreifen Beereninhaltsstoffen sehr säuerlich und bitter. Oft ist dies bei überhangenen Burgundersorten der Fall, die dann auch wenig Farbe ausbilden, die Trauben sind rötlich oder grünlich gefärbt. Aber auch Dunkelfelder, Dornfelder und Zweigeltrebe sind betroffen. Meist sind diese Stöcke dann sehr überhangen und besonders die basalen lockerbeerigen Trauben „stehen ab“. Kompaktere Trauben, welche meist höher am Trieb wachsen, sind meist besser versorgt. Dies sollte bei der Reduktion beachtet werden. Folge der Welke sind „Heidelbeertrauben“, die überwiegend aus Kernen und Hülsen mit nur wenig Saftanteil bestehen. Es entstehen daraus grüne Bitternoten, wie auch bei Stiellähme. Im Vergleich zu Stiellähme hängen die Trauben aber noch fest am Trieb und der Hauptstiel zeigt augenscheinlich keine Schäden. Die welken Beeren erinnern formmäßig an einen platten Fußball. Ursache dieser physiologischen Störung ist eine Unterversorgung von Kalium während des Reifeprozesses. Bei empfindlichen Sorten können Blattdüngergaben mit dem Nährstoff Kalium bis zu einem gewissen Grad unterstützend wirken.

Ausdünnung

Eine augenscheinlich gute Vitalität im Juni/Juli sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Reben einen überhöhten Ertrag selbst bei ausreichender Wasserversorgung nicht ohne Weiteres verkraften können. Die sichtbaren negativen Auswirkungen treten in der Regel erst im Folgejahr durch schwachen Austrieb und Kümmerwuchs zutage. Bei Überlastung lindern kurzfristige Nährstoffverabreichungen übers Blatt allenfalls bedingt, dies liegt schon in der begrenzten Aufnahmefläche der Blätter begründet. Zuviel kann nicht aufgenommen werden und führt womöglich noch zu Verbrennungen. Insbesondere sollte zur Stiellähmenbekämpfung der Nährstoff Magnesium über die Blätter zugeführt werden. Hingegen macht in überlasteten Anlagen ein beherzter Eingriff zur Ertragskorrektur spätestens dann Sinn, sobald der Wuchs nachlässt und eine Welketracht eintritt. Die tatsächliche Entemenge wird im Vergleich zum Anteil abgeschnittener grüner Trauben geringer reduziert als es auf den ersten Blick scheint, da sich die Beeren der verbleibenden Trauben besser füllen und schwerer werden. Neben verbesserter Weinqualität werden es die Reben im nächsten Frühjahr vor allem durch verbesserte Reservestoffeinlagerung und gleichmäßigen Wuchs danken. Ein gewisser Mehrertrag zum Ausgleich von fehlender Menge aus dem Vorjahr oder durch Hagel in Teilflächen ist zweifellos statthaft, wer damit jedoch übertreibt, schadet den Reben mehr als es der Nutzen rechtfertigt. In gestressten, stark überhangenen Weinbergen gilt: „Weniger und dafür besser“. Bei einem guten Gescheinsansatz und früher und günstiger Blütewitterung vor allem bei reichtragenden Sorten wie z. B. Dornfelder, Müller-Thurgau und Portugieser in nicht durch Hagel geschädigten Beständen ist oftmals ein überdurchschnittlich hoher Behang an Trauben festzustellen. Eine gewisse blütebedingte Lockerbeerigkeit, etwa bei Dornfelder, soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass neben der Beerenzahl pro Traube auch das Beerengewicht und die Anzahl Trauben pro Stock ertragsbestimmend ist. Oftmals sind die Traubengerüste in solchen Jahren deutlich größer. Dies sollte bei visuellen Ertragsschätzungen berücksichtigt werden. Vor allem bei jüngeren Reben gerät die Versorgung der Trauben mit Wasser und Assimilaten in trockenen Jahren rasch ans Limit, aber auch ältere Bestände können nur einen begrenzten Traubenertrag sicher zur vollen Ausreife bringen. Dies gilt auch in frühreifenden Jahren, wenn eine vermeintlich lange Reifeperiode bleibt. Fehlt aber die Assimilationsfläche durch ein unzureichendes Blatt-Frucht-Verhältnis, so bleiben Trauben auf einem unbefriedigenden Reifelevel zurück, die Mostgewichte stagnieren, während geringer behangene Stöcke weiter ausreifen können. Zudem wird bei höheren Erträgen weniger sortentypisches Aroma in den Beeren ausgebildet.

Je nach Qualitätszielen und Vermarktungswegen müssen beim Ausdünnen Kosten und Aufwand mit späteren Mehrerlösen abgewogen werden, damit die Zusatzarbeit wirtschaftlich bleibt. Wo die Vermarktung von Grundwein mit höheren Kontingenten erfolgt, wird die Bereitschaft zur Ertragsregulierung nicht sehr hoch sein. Die Freude über einen quantitativ reichlichen Jahrgang wird durch die Preisanpassung bei einem hohen Angebot auf dem Markt getrübt.Für Flaschenweinvermarkter und Traubenerzeuger in Genossenschaften oder anderen Erzeugerzusammenschlüssen bieten solche Jahre aber auch die Chance für die Erzeugung von Spitzenqualitäten und Spezialitäten, die in anderen Jahren nur schwer möglich oder mit unvertretbar hohem Aufwand und Risiko verbunden sind. Dies gilt gerade bei internationalen spätreifenden Sorten, bei deren Anbau die Profilierung allein über die Qualität erfolgt. Eine gute jahresbedingte Grundreife bei reduzierten Erträgen und optimalem Gesundheitszustand der Beeren bestimmen letztlich die Traubenqualität im Weinberg. Hohe Grundqualitäten können in durch Hagel oder Verrieselung „ausgedünnten“ Beständen herausgearbeitet werden, was z. B. durch gezielte Auslese hochreifer und gesunder Trauben geschehen kann.

Methoden der Ausdünnung

Möglichkeiten der Ausdünnung sind: Entfernung von ganzen Trieben mit Trauben (Kümmertriebe, eingekürzte Schnabeltriebe), manuelle Ausdünnung durch Halbierung, das Entfernen ganzer Trauben oder die schlagkräftige Vollernterausdünnung zu Erbsengröße (Anfang Juli), die besonders bei Minimalschittanlagen die einzige wirtschaftliche Methode darstellt. Beim robusten Dornfelder oder lockerbeerigen Spätburgunder-Klonen ist nicht mit stärkerer Fäulnis durch (zu) frühe Ausdünnung zu rechnen, sieht man von Kirschessigfliegenbefall einmal ab. Ansonsten besteht immer auch die Gefahr, dass durch Wahl eines ungünstigen, in der Regel zu frühen Zeitpunktes, der Erfolg geschälert oder gar ins Gegenteil verkehrt wird. Durch Kompensationseffekte (größere Beeren, schwerere Trauben) kann zum Einen ein Mengenausgleich erfolgen. Gerade im Rotweinbereich sind kleinere Beeren bei gleicher Reife qualitativ wertvoller, schon aus Gründen der besseren Farbausbeute kleiner Beeren. Bei kompakten Sorten und Klonen entsteht die Gefahr des Abdrückens an den verbleibenden Trauben mit nachfolgender Fäulnis.


Traubenhalbierung

Die händische Traubenhalbierung hat sich in den letzten Jahren bei der Erzeugung von reifen und gesunden Trauben im Premiumsegment bewährt. Neben der eigentlichen Ertragsreduktion kommt die Maßnahme vor allem der langen Gesunderhaltung der Trauben zugute. Um einen guten Lockerungseffekt zu erzielen, wird die Traube so geschnitten, dass die kompakte Zone beseitigt ist. Das ist je nach Struktur der Traube die Hälfte bis zwei Drittel der Traube. Meist ist es nötig, das kompakte Mittelstück abzuschneiden, so dass der obere Teil der Traube, eventuell mit Schulter, erhalten bleibt. Durch Kompensationseffekte während der weiteren Entwicklung beträgt die Ertragsreduzierung tatsächlich später etwa 40 %. Zur Terminwahl lässt sich sagen, dass je später die Traubenteilung erfolgt, der Kompensationseffekt umso geringer ausfällt. Allerdings nimmt der Arbeitsaufwand deutlich zu. Ein Termin zum Zeitpunkt Traubenschluss ist also zu bevorzugen. Wo die Trauben weniger kompakt sind, kann noch zwei bis drei Wochen gewartet werden, damit der Erfolg der Lockerung nicht durch Kompensation vermindert wird. Beerenverletzungen durch Schnitte sind im grünen Zustand unbedenklich und trocknen ein. Als Werkzeug dient eine spitze Traubenschere. Zudem wird im Handel ein spezielles handliches Hohlmesser (Firma Whailex) angeboten, das nicht die Querteilung, sondern die Längsteilung der Traube ermöglicht. Erfahrungen zum Zeitaufwand und Erfolg liegen hierzu allerdings noch nicht vor. Bei Dornfelder, Merlot und verschiedener Cabernet-Sorten bietet sich auf Grund der Stiellähme-Neigung besonders das Abschneiden der Traubenspitzen an, dies kann auch noch nach beginnendem Umfärben erfolgen. Kompakten Trauben der Sorten Riesling, Burgunder allgemein, Schwarzriesling, Silvaner, Morio-Muskat oder St. Laurent können statt mit der Schere halbiert, auch durch Abdrehen der Traubenspitze geteilt werden, dafür dürfen sie aber noch nicht weich geworden sein.

Ausdünnung ganzer Trauben

Günstig ist der Zeitpunkt des beginnenden Umfärbens, da sind Trauben mit Reiferückstand gut zu erkennen. Bei anhaltender Trockenheit ist ein etwas vorgezogener Termin zwecks Stockentlastung vorteilhaft. Ein später Termin nach dem Umfärben lockt besonders Kirschessigfliegen an und führt oftmals nicht mehr zu deutlichen Steigerungen. Wichtig sind dabei auch die Auswahlkriterien der zu entfernenden bzw. vorrangig zu belassenen Trauben.

Vorrangig entfernt werden sollten:

• Mechanisch geschädigte Trauben, Trauben mit Oidium-/Sauerwurmbefall/ starker Sonnenbrand

• Trauben mit sichtbarem Reiferückstand (Geiztrauben)

• Trauben an Kurztrieben (eingekürzte Schnabeltriebe)

• Besonders kompakte Trauben, sofern nicht halbiert wird

• Trauben im Stockinneren, die paketartig übereinander hängen


Vor einer geplanten Ausdünnung sollte eine Ertragsschätzung erfolgen: Hierbei werden circa 20 durchschnittlich große Trauben gewogen und das Durchschnittsgewicht pro Traube bestimmt. Die Vorgehensweise ist folgendermaßen: An 10 bis 20 Stöcken wird die Traubenzahl gezählt und so der Durchschnittsbehang an Trauben pro Stock ausgerechnet. Über das Gewicht gewogener durchschnittlich entwickelter Trauben lässt sich das Ertragsniveau pro Stock berechnen. Abhängig vom Standraum (Fehlstöcke durch ESCA etc. berücksichtigen!) lässt sich so eine Ertragsbestimmung auf der jeweiligen Fläche vornehmen. Zwischen Reifebeginn und Ernte kann das Traubengewicht noch um 50 bis 100 % zulegen, hierin liegt der größte Unsicherheitsfaktor. Besonders die Wasserversorgung ist für den weiteren Gewichtszuwachs entscheidend. In wüchsigen Anlagen kann eine frühe Ausdünnung zu vorzeitigen Fäulnisproblemen führen und eine vorgezogene Lese erzwingen. Dies war 2013 und 2016 aufgrund der hohen Spätsommerniederschläge nicht selten der Fall. Vermeidbare Stickstoff-Schübe (z. B. späte Bodenbearbeitung, Einsatz N-haltiger Blattdünger) sollten in diesem Zusammenhang unbedingt unterbleiben. Verletzungen an reifenden Beeren führen zu Wunden, die leicht von Fäulnispilzen besiedelt werden können. Schon süße Beeren sind besonders gefährdet, daher sollten späte Ertragsreduzierungen oder späte Entblätterungsmaßnahmen sehr schonend durchgeführt werden. Abgeschnittene faule Trauben sollten nicht im Unterstockbereich liegen bleiben, da sich ansonsten ein Potenzial an Fäulniserreger und Essigfliegen aufbauen kann. Wer die Mühe scheut, diese aus der Anlage zu fahren, sollte sie in der Gassenmitte auf der Begrünung mittels Mulcher zerkleinern, dort trocknen sie dann rasch ein. Besonders in der Traubenzone sollten auch die Herlinge oder Geiztrauben entfernt werden, damit sie nicht durch den Vollernter ins Lesegut geraten. Bei schon hohen Erträgen belasten zusätzliche Geiztrauben die Reben, dann ist es ratsam, sie generell abzuschneiden. Alternativ zur späten Ausdünnung bietet sich eine vorgezogene Teil-Lese von Hand z. B. für Federweißer, Sektgrundwein oder Roseweinen circa 14 Tage vor der Hauptlese an. Lockere und gesunde Trauben bleiben länger hängen und bieten gute Chancen für qualitativ hochreifes Premiumlesegut.

Vollernterausdünnung

In Minimalschnittanlagen im Umstellungsjahr ist die Vollernterausdünnung in den meisten Fällen „Pflicht“, falls nicht exzessive Erträge mit bedenklicher Qualität in Kauf genommen werden. Aber auch bei Normalerziehung weist diese Methode neben der hohen Schlagkraft einige Vorteile auf. So entstehen keine bzw. negative Kompensationseffekte, indem sich die Beeren nicht vergrößern sondern kleiner und dickschaliger bleiben. Das große Problem ist die optimale Steuerung der Ausdünnintensität. Die tatsächliche Ertragsminderung fällt hier höher aus als die „theoretische“ Ertragsminderung in Form der auf dem Boden liegenden Menge an Trauben (-teilen) oder Einzelbeeren. Die Ursache liegt darin, dass ein Teil der verbliebenen Beeren nachträglich abstirbt oder nur sehr eingeschränkt weiterwächst. Vor allem kommt es dazu, dass auch äußerlich unbeschädigte Beeren aufgrund eines (physiologisch nicht geklärten) Schockeffekts einen vorübergehenden Entwicklungsstillstand aufweisen, der nicht nur zu einem physiologischen Entwicklungsrückstand, sondern auch zu einem eingeschränkten weiteren Beerenwachstum führt. Grob geschätzt kann man davon ausgehen, dass die tatsächliche Ertragsminderung um 50 bis 100 % höher ist, als die theoretisch zu erwartende Ertragsminderung. Fixe Vorgaben zur Einstellung der Maschine können daher nicht gemacht werden. Ob die Schüttelfrequenz erhöht oder vermindert werden sollte, muss nach einigen Metern Fahrstrecke anhand des Ergebnisses beurteilt werden. Nur Erfahrung und Fingerspitzengefühl schützen davor, die Zielsetzung grob zu verfehlen. Günstig ist es, einige Reihen mit unterschiedlicher Stärke zu fahren und nach frühestens drei Tagen nach dem Anteil abgeschlagener und gewelkter Traubenteile zu beurteilen, um die Arbeit dann entsprechend fortzusetzen. Spätestens etwa 14 Tage vor Reifebeginn muss die Vollernterausdünnung durchgeführt werden, da andernfalls von verletzten Beeren ein hohes Botrytisrisiko ausgehen kann. Es sollte nach der Ausdünnung möglichst eine trockene Witterungsphase eintreten. Ein zusätzlicher Schutz durch eine Botrytizidbehandlung in die Traubenzone nach der Vollernterausdünnung kann in manchen Jahren die Traubengesundheit weiter verbessern.


Literaturverzeichnis

Quelle: Gerd Götz, Institut für Weinbau und Oenologie, DLR Rheinpfalz

Schumann, F. (1998): Weinbaulexikon. Meininger Verlag GmbH, Neustadt an der Weinstraße: 294 Seiten, ISBN 3-87524-131-2.