Ernährungszustand, Krankheiten und Mangelerscheinungen an Reben erkennen und richtig deuten

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Rebanlagen mit Blattverfärbung im Herbst
Attraktive Blattfärbung durch Magnesium-Mangel

Auffällige Blattverfärbungen sind besonders zwischen Spätsommer und Herbst gut erkennbar und zeigen verschiedene Mangelsituationen der Rebe an. Zum Herbst hin tritt zudem die natürliche Färbung in gelb (Carotinoide bei Weißweinsorten) oder rötlich bis rot (Anthocyane bei Rotweinsorten, die die Carotinoide überlagern) hervor. Deckrotweinsorten wie Cabernet Mitos, Palas, Dunkelfelder oder Dakapo haben bereits beim Austrieb eine weinrote Färbung und färben bis zum natürlichen Blattfall tiefrot bis rotviolett, bedingt durch den hohen Gehalt an den Anthocyanen.

Diese intensiven Rotweinfarbstoffe befinden sich nicht nur in der Beerenhaut und im roten Beerenfleisch, sondern auch vermehrt in den Blättern und Triebstängeln. Treten die Herbstfröste wie im Jahr 2013 recht spät ein, so verstärkt sich die Herbstfärbung, bis die Blätter natürlich zu Boden fallen, da grüne Anteile (Chlorophyll) ins Holz als Reservestoffe rückverlagert werden. In den meisten Jahren bewirkt aber der erste stärkere Nachtfrost, dass die noch verbliebenen Blätter anderntags verbräunen und sich dann schlagartig von den verholzten Trieben lösen.

Zeitpunkt und Stärke der Herbstfärbung ist ein wichtiger Indikator

Schwachwüchsige, „gestresste“ Weinberge weisen eine frühe Herbstfärbung auf, diese kann z. B. auf eine skelettreiche Bodenstruktur hindeuten, auf der regelmäßige Wasserknappheit über Sommer geherrscht hat. Auch eine zu starke Konkurrenz zwischen Reben und Begrünungspflanzen führt zu einem vorzeitigen Triebabschluss und früher Laubfärbung. Besonders junge Weinberge ohne tiefgründiges Wurzelsystem zeigen sich bei Trockenheit anfällig. Trockenschäden induzieren zudem einen Stickstoffmangel, da dieser Hauptnährstoff nicht ausreichend über den Boden aufgenommen werden kann. Die Assimilationsleistung verringert sich, da aber in der Regel auch der Behang an Trauben geringer ausfällt, wirkt sich Schwachwuchs nicht so negativ auf das Mostgewicht aus, eher auf verminderte Holzreife und Holzstärke. Auch Botrytis besitzt durch die lockere Traubenstruktur weniger Angriffspunkte. Gerade 2013 waren solche Anlagen länger gesund.

Umgekehrt deutet eine späte Laubfärbung auf eine (zu) hohe Wuchskraft und übermäßige Nährstoffverfügbarkeit hin. Hier sind die oft kompakten Trauben in der Regel stärker von Botrytis befallen. Die Bestände werden dichtlaubiger, sofern nicht stärker entblättert wurde. Die längere Assimilationsleistung trägt vielfach nicht zu einem höheren Reifegrad bei, da Fäulnis zur verfrühten Lese zwingt.

Das Wunschziel sind daher Bestände, die eine mittlere Wuchskraft haben. Eine moderate Laubfärbung zur Lesereife ist daher keinesfalls abträglich, sondern ein wichtiger Indikator. Allgemein färben frühreifende Sorten wie Ortega früher als spätreifende wie etwa Riesling oder Kerner. Tritt eine Blattverfärbung regelmäßig früh und herdweise auf, so deutet dies in aller Regel auf eine Ernährungsstörung (Trockenstress, Magnesium, Kalium oder Kalk/pH-Wert) hin. Ein reiner Stickstoffmangel ohne gleichzeitigen Trockenstress, z. B. durch zu stark zehrende Dauerbegrünung, ist die Ausnahme.

Schädlinge und Nährstoffmangel

Wenn Blätter bereits ab dem Spätsommer auffällig (segmentartig) färbten oder gar vom Rande her verbräunten, sind Saugschäden oder Mangelerscheinungen zu befürchten.

Ein starker Befall durch die Grüne Rebzikade führt zu Verfärbungen oder Nekrotisierung der Blätter vom Rande her und hat mehr oder minder hohe Mostgewichtseinbußen zur Folge. Besonders die Sorten Sauvignon Blanc und Silvaner zeigen gegenüber diesem Blattsauger eine erhöhte Empfindlichkeit am Laub. So befinden sich auf der Blattunterseite die Häutungsreste der Zikaden-Larven als weiße Anhängsel in größere Anzahl.

Auch Magnesium-Mangel zeigt sich meist erst ab Spätsommer bis Herbst. Hier beginnen die Aufhellungen jedoch zwischen den Blattadern und nicht vom Rande her. Die Blätter erhalten so eine auffällige und frühe Herbstfärbung, die Hauptadern bleiben länger grün. Je nach Sortenanfälligkeit führt ein Magnesium-Mangel gleichzeitig zu Stiellähme. Werden frühzeitig Gegenmaßnahmen durch magnesiumhaltige Blattdünger ergriffen, so kann man den Schaden meist noch in Grenzen halten. Nicht zu verwechseln ist Mg-Mangel mit den charakteristischen Tigerstreifenmuster von ESCA, die zudem auf Einzelstöcke begrenzt ist und nicht mehr oder weniger gleichmäßig an allen Reben auftritt.

Auf eine Unterversorgung des Nährstoffs Kalium weisen schwärzliche Bereiche an älteren Blättern hin. Besonders bei Müller-Thurgau und Kerner mit stärkerem Behang zeigt sich dieses Schadbild häufiger. Nicht immer muss eine Unterversorgung des Bodens vorliegen. Auch durch Nährstoffverlagerung in die Trauben oder vorübergehende Trockenheit kann eine Minderversorgung der Rebe induziert sein. Daher sollte vor geplanten Düngemaßnahmen, die über eine jährliche Erhaltungsdüngung hinausgehen, unbedingt eine Bodenuntersuchung durchgeführt werden.

Viel oder zu wenig Kalk im Boden

Auch der pH-Wert des Bodens hat Auswirkungen auf den Zustand des Laubes. Basische oder kalkhaltige Böden mit hohem pH-Wert über 7 neigen zu Chlorose (Vergilbung). Keuper- und Muschelkalkstandorte weisen von Natur aus hohe pH-Werte auf.

Die Chlorose ist in der Ausprägung stark von der Unterlage (auf Kalkstandorte nur chlorosefeste Unterlagen verwenden), Rebsorte und Bewirtschaftung (begrünt oder offen) abhängig. Zudem spielt die Witterung eine Rolle („Schlechtwetterchlorose“). Chlorose tritt, im Gegensatz zu anderen Ernährungsstörungen, schon zeitig nach dem Austrieb auf und ist meist kurz vor der Blüte ausgeprägt. Vor allem die Triebspitzen hellen auf. Als kurzfristige Maßnahme dient eine Blatt- oder Bodendüngung mit Eisenchelaten. Leichtere Ausprägungen verlieren sich bis zum Herbst von selbst.

Auch Viruserkrankungen zeigen sich am Blatt. Speziell die infektiöse Panaschüre, eine Sonderform der Reisigkrankheit, fällt durch gelbe Blattverfärbungen - auch bei Rotweinsorten - auf. Die Vergilbungen können schon früh in der Vegetationsperiode auftreten und verstärken sich im weiteren Jahresverlauf.

Bei zu niedrigem pH-Wert des Bodens, also unter dem Neutralpunkt von 7, reagiert die Bodenlösung sauer. In Extremfällen spricht man von Säureschäden der Reben. Die Triebe wachsen kümmerlich und die Blätter zeigen frühzeitig vom Rand her Aufhellungen mit bräunlichen Punktnekrosen. Besonders Sand- und Schieferböden sind gefährdet, die regelmäßig aufgekalkt werden sollten. Auch bei der Bestimmung des Kalkdüngebedarfs ist eine regelmäßige Bodenanalyse unumgänglich, die am besten von Herbst bis zum Frühjahr durchgeführt werden sollte. Wenn sich schon deutliche Symptome an der Rebe zeigen, leidet in der Regel bereits der Traubenertrag und die Güte.

Stark gefärbte Einzelreben sind häufig erkrankt: Vorsicht Schwarzholzkrankheit

Falls nur Einzelreben in einem Bestand eine ungewohnt starke Färbung aufzeigen, sind meist Krankheiten wie beginnender ESCA-Befall oder die Schwarzholzkrankheit die Ursache oder es liegen Stammschäden durch frühere Winterfröste vor.

Gerade bei der Schwarzholzkrankheit, eine Bakterienerkrankung der Rebe, ist ein Befall durch lange am Stock anhaftende Blätter erkenntlich. Diese vergilben (Weißweinsorten) vor allem von den oberen (apikalen) Haupttriebblättern zwar bereits im Spätsommer bzw. färben sich rötlich (Rotweinsorten). Sie wirken zum Herbst hin aber länger frisch, da bei Vergilbungskrankheiten eine Rückverlagerung der Reserven ins Holz erschwert oder nicht mehr gegeben ist. Erst ein Nachtfrost bringt sie letztlich zum Absterben. Kranke Blätter rollen sich nach unten ein. Weiteres untrügliches Kennzeichen schwarzholzerkrankter Triebe ist grünes, unausgereiftes Holz sowie abgewelkte, verkümmerte Trauben(reste), sofern sie nicht vorher abgefallen sind. Entlang der Blattadern entstehen cremefarbene Flecke, die später nekrotisieren.

Typisch für schwarzholzkranke Reben ist, dass nicht alle Triebe eines Stockes Symptome aufweisen, sondern einige gesund erscheinen. Gerade diese erkrankten Stöcke lassen sich unmittelbar vor dem Laubfall gut erkennen und können gezielt in den gesunden Bereich zurück geschnitten werden. Hierbei sind alle befallenen Teile auszuschneiden, sofern dies nicht bereits im Spätsommer geschehen ist. Eine Stockverjüngung, also ein Rückschnitt bis über die Veredelungsstelle, sollte erfolgen, falls alle Triebe am Stock Befallssymptome aufweisen. Bei der Sorte Silvaner ist zu beachten, dass die Holzreife auch bei gesunden Reben oftmals schwach sein kann. Also sind halb ausgereifte Triebe allein noch kein Indiz dafür, dass die Reben erkrankt sind, sofern nicht gleichzeitig Blattsymptome und schwarze Pusteln auf den Trieben erscheinen.

Die Hauptwirtspflanze der krankheitsübertragenden Winden-Glasflügelzikade, die Große Brennnessel, sollte auf landwirtschaftlich genutzten Flächen im Spätherbst bis zum zeitigen Frühjahr punktuell chemisch oder mechanisch bekämpft werden. Auf angrenzendem Nichtkulturland ist eine chemische Bekämpfung nur mit Sondergenehmigung möglich, die in jedem Einzelfall geprüft werden muss. Keinesfalls darf eine chemische Bekämpfung der Brennnessel außerhalb landwirtschaftlicher Kulturflächen ohne vorherige Antragsstellung und Genehmigung „auf eigene Faust“ erfolgen. siehe dazu auch Anwendungsverbote von Pflanzenschutzmitteln auf Nichtkulturland nach §12(2)PflSchG

Einzelnachweise


Literaturverzeichnis

  • Götz, G. (2013): Ernährungszustand, Krankheiten und Mangelerscheinungen an Reben erkennen und richtig deuten. Abteilung Weinbau & Oenologie (Gruppe Weinbau), Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz, Neustadt an der Weinstraße.